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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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taten, nicht was sie vorgaben zu tun. Angeblich nahm er sich ein paar Jahre später selbst das Leben, indem er von einem Hochhaus sprang.
    Ich sammelte Hunderte von Seiten Material über die Goto-gumi und nutzte jeden Trick, den ich bei der Yomiuri gelernt hatte. Um ausreichend Informationen zu erhalten, musste ich einige moralische Kompromisse eingehen, aber ich musste auch meinen Feind kennen. Als sehr nützlich für mich erwies sich ein Geheimbericht über Tadamasa Goto und seine Organisation, den die Nationale Polizeibehörde mithilfe aller Polizeireviere des Landes 2001 erstellt hatte. Ein sehr wertvoller Informant gab ihn mir im Austausch für geleistete Dienste.
    »Sie zögern nicht, extreme Maßnahmen gegen andere zu ergreifen, wenn es darum geht, einen Überfall oder einen Rachefeldzug zu planen. Sie schlagen in Gegenwart von Frauen und/oder Kindern zu und zwingen diese, grausame, gewalttätige Handlungen zu beobachten, damit sie hinterher nicht zur Polizei gehen.
    Die Hinrichtung von Feinden erfolgt wohlüberlegt, und die Planung kann lange dauern. Die Aufgabenverteilung ist klar (Opfer ausspähen, Ausführung des Mordes, Schmiere stehen usw.). Niemand weiß, wer der Auftraggeber ist (deshalb ist keine gründliche Aufklärung möglich). Wenn sie ein Verbrechen begehen, benutzen sie Fahrzeuge von unbeteiligten Personen und gestohlene Autokennzeichen aus anderen Präfekturen (auch das erschwert die Aufklärung).«
    Außerdem heißt es in dem Bericht, es sei typisch für diese Organisation, »die Massenmedien einzuschüchtern«. »Mit dem Namen (und der Macht) der Organisation bedrohen sie ernsthaft und unablässig jeden, dessen Reportagen ihnen missfallen.«
    Im Jahr 2006, noch bevor ich mit Shibata Kontakt aufnahm, hegte ich bereits den Verdacht, dass nicht nur Goto, sondern auch drei seiner Partner von der UCLA eine neue Leber erhalten hatten.
    Es war sehr wichtig, dass Shibata mir Mios Namen verraten hatte, aber in gewisser Hinsicht war es Tadamasa Goto selbst, der mir am meisten half. Wegen der Methoden, mit denen er in seiner Organisation für Ordnung sorgte, hatte er sich in seinem innersten Kreis Feinde gemacht. Der Polizeibericht beschrieb diese Methoden detailliert:
    [Bandenmitglieder werden] »mit Zuckerbrot und Peitsche bei der Stange gehalten. Sie werden immer belohnt, wenn es angezeigt ist (Lebensunterhalt der Familie, Unterhalt nach einem Gefängnisaufenthalt, Bargeld, Autos usw.).
    Wenn ein Mitglied die Organisation in Schwierigkeiten bringt, degradiert Goto den Schuldigen. Um ein Exempel zu statuieren, verprügelt er ihn vor Gleichgestellten oder zwingt Kollegen, die Strafe auszuführen.«
    Gotos Brutalität bewog einen seiner Soldaten, den er gezwungen hatte, einen Freund zu verstümmeln, sich mir zu offenbaren. Er mochte mich zwar nicht besonders, aber er hasste Goto. Und er war nicht mein einziger Informant aus der Organisation, aber er war der zuverlässigste.
    Im November 2006 trafen wir uns weit außerhalb von Tokio, und er erzählte mir etwas, das mich völlig verblüffte. Goto hatte in die USA einreisen können, weil das FBI es ihm erlaubt hatte.
    Das FBI.
    Er gab mir die genauen Daten und verriet mir auch den Namen der Mannes, der alles arrangiert hatte: Jim Moynihan, juristischer Attaché (de facto ein FBI-Vertreter) der amerikanischen Botschaft in Japan.
    Ich kannte Jim, er war ein Freund und Mentor. Am liebsten hätte ich es nicht geglaubt, aber ich wusste, dass es stimmte. Jetzt begriff ich auch, warum Goto meinen Artikel unbedingt verhindern wollte: Denn er hatte Freunde verraten, damit man ihn in die USA einreisen ließ. Es war ein ziemlich einfacher Handel. Er hatte den Behörden die Namen einiger Gangsterbosse, Dokumente und Listen von Tarnfirmen gegeben und ihnen sogar die Banken genannt, die in den USA für die Yamaguchi-gumi Geld wuschen. Ein Verrat dieser Größenordnung wurde in der Welt der Yakuza sicherlich nicht toleriert. Genau dieses Verhalten konnte den Ausschluss aus der Organisation oder den Tod bedeuten.
    Im Dezember 2006 aß ich mit Jim zu Mittag und fragte ihn vorsichtig, warum zum Teufel er mit diesem Mann paktierte.
    Er erzählte mir, was er sagen durfte, und das ergab Sinn. Natürlich verriet er mir nicht alle Einzelheiten, aber es reichte. Meine Akte wurde dadurch dicker.
    Die entscheidende Information erhielt ich allerdings im Sommer 2007, als ein Kripobeamter, der im Polizeirevier von Kitazawa pornografische Bilder auf seinen Computer herunterlud,

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