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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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gemacht haben – so sieht er nämlich aus. Wenn Sie dem Pfad folgen, dann kommen Sie aber nirgendwo hin. Wenn Menschen sich verirren und einem solchen Pfad folgen, führt sie das weiter in die Wildnis, manchmal sterben sie sogar. Es ist kein Weg für Menschen, es ist ein gefährlicher Weg. Sind Sie sicher, dass Sie diesen Weg gehen wollen? Er wird Sie nicht dorthin bringen, wohin Sie wollen.«
    »Schauen Sie, mir geht es nur um meine Story. Ich habe nicht vor, etwas Verrücktes zu tun.«
    »Nein, Sie haben überhaupt keinen Plan. Denken Sie darüber nach. Behalten Sie den richtigen Weg im Auge, nicht den falschen.«
    Dann schlug mir der alte Bastard erneut ins Gesicht, diesmal sogar noch härter. Und als ich zu Boden stürzte, trat er mir in den Bauch. Es gelang mir, meinen Brechreiz zu unterdrücken, aber ich krümmte mich wie ein Fötus zusammen. Dabei kam ich mir furchtbar dumm vor, und ich hatte Angst. Richtig Angst.
    »Ich mache keine Scherze. Sie dürfen nicht leichtsinnig sein. Trauen Sie niemandem. Vielleicht denken Sie ja, dass das hier schmerzhaft ist. Aber was Goto Ihnen oder Ihren Freunden antun wird, wenn er erfährt, was Sie vorhaben, wird tausendmal schmerzhafter sein. Also machen Sie bloß keinen Blödsinn.«
    »Ich hab’s kapiert.«
    »Gut. Und jetzt setzen Sie Ihren faulen Arsch in Bewegung und holen mir noch ein paar Zigaretten. Ich habe keine mehr.«
    Ich holte ihm die Zigaretten. Da ich ihm aber lieber nicht mehr so nahe kommen wollte, warf ich ihm die Packungen aus einiger Entfernung zu. Er fing sie auf und kicherte. Danach unterhielten wir uns noch einige Zeit.
    2007 starb Shibata, aber vorher verriet er mir noch einen Namen: Hisatoshi Mio, Gründer der Mio-gumi. Er war ein Helfershelfer des Kaisers der Kredithaie, Kajiyama. Das ergab Sinn. Goto hatte Kajiyama beigebracht, Geld durch Las Vegas zu schleusen. Es war also keine Überraschung, dass Goto auch Mio kannte. Ich war mir jetzt ziemlich sicher, dass der Fall Goto kein Einzelfall war. An
der UCLA war etwas sehr Seltsames im Gange. Ich hielt mein Versprechen und überreichte Shibatas Frau den Brief ihres Mannes, und sie versprach mir, ihn ihrem Sohn zu geben, sobald er lesen konnte. Wahrscheinlich kehre ich eines Tages zurück und prüfe das nach.
    Über Helena erfuhr ich von Shibata nichts.
    Sekiguchi folgte Shibata im Herbst desselben Jahres. Auf einen Schlag hatte ich meinen wichtigsten Yakuza-Informanten und meinen wichtigsten Polizeiinformanten verloren. Was sollte jetzt aus meiner Goto-Story werden? Es sah düster aus.
    Sekiguchi war 48 Jahre alt. Ich hatte ihn und seine Familie fast
14 Jahre lang gekannt. Er tat seinen letzten Atemzug an einem regnerischen Tag Ende August um 15.45 Uhr. Meine Familie und ich waren zu der Zeit nach Japan gekommen und wohnten bei meiner Schwiegermutter. Das war gut für die Kinder – sie sprachen sehr gut englisch und mussten nun ihr Japanisch verbessern.
    Am Tag vor unserer beabsichtigten Rückreise in die USA, etwa am 29. August, aßen wir gerade chinesisch, als Sekiguchis Frau anrief und mich über seinen Tod unterrichtete. Ich wollte den Flug verschieben und zur Beerdigung gehen. Alle außer den Kindern ärgerten sich darüber. Ich hatte einen heftigen Streit mit Sunao und meiner Schwiegermutter. Denn sie waren beide der Meinung, dass ich zur Totenwache gehen sollte, falls es eine gab. Aber die Familie konnte ich bei meinem nächsten Aufenthalt in Japan besuchen. Ich jedoch war anderer Meinung. Kaum vorstellbar, dass ein verrückter jüdischer Bursche und ein zehn Jahre älterer Kriminalbeamter so gute Freunde werden konnten, aber genau das war in diesen vielen Jahren geschehen. Ich wollte daher bleiben, aber Sunao blieb stur. Ich fragte sie, ob sie nicht mit den Kindern allein nach Hause fahren könne. Ich würde sie zum Flughafen bringen und dafür sorgen, dass jemand sie in Amerika abholte und nach Hause brachte. Aber ich bekam nur den Vorwurf zu hören, dass ich meine egoistischen Bedürfnisse über die meiner Familie stellte.
    Wir verließen das chinesische Restaurant und kehrten zurück zu Sunaos Elternhaus. Ich wollte zumindest die Familie Sekiguchi besuchen und dem Toten die letzte Ehre erweisen. Um zehn Uhr abends fuhr ich daher im Taxi durch den Regen zu Sekiguchis Haus im trostlosen Konan. Sunao begleitete mich. Wir redeten nicht miteinander. Es regnete so heftig, dass das Taxi unterwegs ein- oder zweimal anhalten musste. Der Fahrpreis betrug fast 250 Dollar.
    Wir kamen um Mitternacht

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