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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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Wochenzeitschrift Friday seine außereheliche Affäre aufdecken wollte. Also sprang er vom Dach. Hätte es daran irgendwelche Zweifel gegeben, hätte die Polizei bestimmt Nachforschungen angestellt.«
    »Hast du den Artikel gelesen? Und weißt du, dass er, als der Reporter ihn darauf ansprach, lachend geantwortet hat: ›Ach das, das weiß sie schon längst.‹ Verhält sich so jemand, der schwer depressiv ist?«
    »Ich weiß nicht. Ich kenne die Details nicht. Aber er hat doch einen Brief hinterlassen.«
    »Ja, einen Computerausdruck. Den kann jeder geschrieben haben.«
    Auf einmal schmeckte mir mein Bourbon nicht mehr.
    »Aber warum?«
    »Er plante noch einen Film, und zwar über die Goto-gumi und deren Beziehungen zur Soko Gakkai. Goto fand das nicht besonders lustig. Deshalb schnappten sich fünf seiner Männer Itami und zwangen ihn mit vorgehaltener Waffe, vom Hochhaus zu springen. Das war der Selbstmord.«
    »Woher weißt du, dass es so war?«
    »Keine besonders höfliche Frage.« Seine Finger krümmten sich so fest um sein Glas, dass ich fürchtete, es werde zerbrechen.
    Also entschuldigte ich mich schnell.
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    »Sei vorsichtig. Schreib es jetzt, wenn du kannst.«
    »Ich kenne den größten Teil der Geschichte.«
    »Wenn du nicht alles weißt, wird dir keiner glauben, dann würde es dir nichts nützen. Du musst über alles schreiben, auch über die anderen.«
    »Ja, ich weiß, dass es noch andere gibt. Kennst du sie?«
    »Nein, du musst das herausfinden. Aber ich kenne jemanden, der dir helfen kann. Sie kann Goto nicht sonderlich gut leiden.«
    »Sie?«
    »Eine von vielen. Sie hat ihre Gründe.«
    »Ist das nicht gefährlich für sie?«
    »Ich glaube, das ist ihr egal.«
    Dann gab er mir ihre Visitenkarte – auf der Rückseite stand ihre Anschrift – und noch eine zweite Karte. Diese Frau kannte ich aus der Polizeidatei über Goto.
    »Warum gerade diese zwei Frauen?«
    »Ich glaube, er vertraut ihnen. Außerdem kannst du gut mit Frauen umgehen. Sie vertrauen dir. Sie mögen dich. Ich habe gehört, dass du sogar mit einer Polizistin sehr gut befreundet bist.«
    »Ich bin mit vielen Leuten befreundet, weil ich ein netter Kerl bin.«
    Ich bat um die Rechnung und zahlte. Als wir gingen, fragte ich ihn, warum Goto mich nicht jetzt sofort umlegen ließ.
    »Er wartet noch ab. Ich weiß nicht, warum. Wahrscheinlich weiß er nicht, wie viel du weißt oder wem du schon etwas erzählt hast. Darum lässt er sich Zeit. Er beobachtet dich, sammelt Informationen über dich. Vielleicht versucht er auch, dich unglaubwürdig zu machen, bevor du die Chance hast, etwas zu schreiben. Er könnte zum Beispiel Drogen in deinem Apartment verstecken und die Polizei rufen. Oder eine Frau behauptet, du hättest sie im Zug belästigt. Es gibt viele Möglichkeiten, dich unschädlich zu machen, ohne dich umzubringen. Ein Mord würde natürlich eine Menge Aufmerksamkeit erregen. Weißt du, dass das Gerichtsverfahren gegen ihn noch läuft?«
    Natürlich wusste ich das.
    Im Mai 2006 wurden Goto als Chef einer Immobilienfirma und acht andere verhaftet, weil man sie verdächtigte, bei den Besitzverhältnissen bezüglich eines Gebäudes im Bezirk Shibuya betrogen zu haben. Der Polizei zufolge hatte Goto als Direktor des börsennotierten Unternehmens Ryowa Life Create zusammen mit den anderen Verdächtigen die Übertragung des Eigentums an einem zwölfstöckigen Gebäude, dem Shjinjuku Building, falsch beurkunden lassen. Die Immobilie gehörte teilweise einer Tarnfirma der Goto-gumi. Die Festnahme erfolgte nach Ermittlungen, die mehr als ein Jahr zuvor begonnen hatten. Im März 2005 war Kazuoki Nozaki, ein 58-jähriger Berater einer Gebäudeverwaltungsfirma und Miteigentümer des Shinjuku Building, auf einer Straße im Tokioter Bezirk Minato erstochen worden.
    Die Polizei hatte sich Goto wegen des Verstoßes gegen das Eigentumsrecht geschnappt, weil sie ihm den Mord an Nozaki anhängen wollte. Alle wussten das.
    Der Mord war mit der Präzision der Goto-gumi begangen worden: kleine Gruppe, keine Zeugen, keine oder wenig Spuren. Vermutlich würde man auch mich so aus dem Verkehr ziehen, wenn meine Zeit gekommen wäre – man würde mich in irgendeiner Gasse niederstechen und verbluten lassen.
    Ich antwortete ihm, dass ich von dem Strafprozess wusste. Mir war aber immer noch nicht klar, warum mich noch nicht das gleiche Schicksal ereilt hatte wie Nozaki.
    »Die Leute kennen dich. Sie glauben, dass du für die

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