Tokio Vice
schmieren, und oft ist eine lange Vorbereitung nötig. Ich ziehe es vor, Informationen selbst zu sammeln und mit Polizisten zu handeln, anstatt um Krümel zu betteln. Aber das ist eben mein persönlicher Stil. Natürlich war ich genauso eine männliche Geisha wie die meisten meiner Kollegen, auch wenn es mir manchmal vielleicht gelang, eine bessere Ausgangsposition einzunehmen.
Das folgende Memo überreichte uns ein ehemaliger Vorgesetzter. Es macht deutlich, wie viel Überredungskunst und Schmeichelei von einem Polizeireporter verlangt wird. Der Autor ist meiner Meinung nach ein hervorragender Journalist, der sich wirklich anstrengt, um eine Story zu ergattern, und der sich nicht auf das Wohlwollen der Polizisten verlässt, denen er einen Gefallen getan hat. Wie dem auch sei, der Mann ist auch als Einschleimer unübertroffen.
Memo für Polizeireporter:
Es ist traurig, dass ich für euch Nieten ein Abc des Polizeijournalismus schreiben muss. Ich habe vor etwa zehn Jahren zuletzt auf diesem Gebiet gearbeitet, doch eines kann ich euch versichern: Das TMPD-Clubteam kann große Pläne schmieden, aber keine Schlacht gewinnen. Betrachtet dies nicht als Rat eures Chefs, sondern als Rat eines älteren Kollegen: Der Job ist härter, als ihr glaubt. Wenn ihr nur Dienst nach Vorschrift macht oder euch auf den Namen Yomiuri beruft, dann werden euch höchstens ein oder zwei von zehn Polizisten einen Tipp geben.
Wenn ihr abends planlos Polizisten zu Hause aufsucht, werden sie euch gar nichts verraten. Denn jeder kann sich die Anschrift eines Polizisten von seinem sempai (einem älteren Kollegen) besorgen, dorthin fahren, ein paar Stunden warten, bis er nach Hause kommt, sich einschleimen und ihm hin und wieder Eintrittskarten für ein Baseballspiel der Giants zukommen lassen. Wenn das schon alles wäre, hätten selbst ganz unerfahrene Reporter schon Erfolg.
Natürlich findet jeder Polizeireporter die Bereiche besonders wichtig, für die er zuständig ist. Und selbstverständlich ist es wichtig, herauszufinden, welcher Beamte ein lohnendes Ziel wäre. Doch entscheidend ist die Frage, wie man aus ihm einen Informanten machen kann. Wie kann man sich von den anderen Reportern unterscheiden? Denkt mal darüber nach.
Seid ihr im Kontakt mit dem Polizisten, den ihr im Auge habt? Habt ihr ihn nach seinem Geburtstag gefragt, seinem Geburtsort, seiner Herkunft, den Geburtstagen seiner Frau und seiner Kinder, seinem Hochzeitstag? Wisst ihr, wann seine Kinder eingeschult werden, ob sie einen Job haben, welche Feiertage oder besonderen Ereignisse in der Familie anstehen? Gratuliert ihr dann entsprechend oder bringt ihm, besser noch, ein Geschenk?
Schenkt ihr dem Polizisten Kleinigkeiten, wenn ihr ihn abends besucht? Eintrittskarten für ein Spiel der Yomiuri Giants sind da nicht besonders beeindruckend. Denn er wird denken: »Ach ja, er ist Reporter bei der Yomiuri . Dann bekommt er sie wahrscheinlich kostenlos.« Geht lieber zu Daimaru im Tokioter Bahnhof oder in ein ähnliches Geschäft und kauft Speisen oder Getränke aus der Region, in der ihr geboren wurdet. Dann erzählt ihr eurem Polizeifreund: »Das habe ich mir extra von zu Hause schicken lassen« oder »Das habe ich von einer Reise für Sie mitgebracht«. Solche Lügen wirken gut, aber es kommt auch auf das richtige Timing an. Wenn ihr ihm an einem kalten Tag eine warme Fleischpastete oder eine heiße, süße Adzukibohnenpastete bringt, wunderbar. Wenn der Mann nicht nach Hause kommt, dann gebt ihr das Essen eben seiner Frau oder Freundin und sagt: »Hier, es schmeckt nicht, wenn es kalt wird.« So bringt ihr sie wenigstens dazu, die Haustür zu öffnen, und das ist immer ein wichtiger erster Schritt.
Fragt ihr die Polizisten, ob sie mit euch etwas essen oder trinken wollen? Bietet ihr ihnen an, mit euch in einer gemieteten Limousine zu fahren? Das ist eine wunderbare Gelegenheit, sie bei Regen oder Schnee von zu Hause zum Bahnhof oder umgekehrt zu bringen.
Besucht ihr die Polizisten am Morgen und bringt ihnen Exemplare der Yomiuri , wenn sie die Zeitung nicht abonniert haben? Selbst wenn ihr nur 100 Yen ausgebt, um dem Burschen eine Tasse Kaffee oder einen Sportdrink zu spendieren, unterscheidet ihr euch schon dadurch von den vielen anderen.
Wenn einer eurer Polizeifreunde krank ist, nehmt ihr euch dann die Zeit, ihn nachmittags zu besuchen? Wenn ihr ihn nur abends besucht, befindet ihr euch auf dem Niveau eines Jungreporters von Yamagata-TV. Wenn die Frau oder die Kinder
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