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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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angekündigt worden waren, belegte ich gleich nach dem Mittagessen einen Futon im Ruheraum, schaltete das Licht aus und schlief. Der vierte Bezirk sollte die Hölle sein? Pah. Er war der Himmel, das Schlaraffenland. Jedenfalls glaubte ich das, als ich einschlief.
    Aber das Schlaraffenlandgefühl hielt nicht lange an. Denn um zwei Uhr nachmittags rief uns der Maulwurf zu, dass die Polizei von Shinjuku bald eine Festnahme wegen des Verstoßes gegen das Gesetz zur Prostitutionsbekämpfung bekannt geben werde. Shimozawa-san, der stellvertretende Dezernatsleiter, wollte uns im Büro des Polizeichefs das Wichtigste mitteilen. Nachdem ich den Presseclub in Tokio angerufen hatte, um die Kollegen davon zu unterrichten, eilten wir in das Büro, wo der Polizeichef hinter seinem Schreibtisch stand. Der Einsatzleiter stand davor und verteilte Handzettel. Ein anderer Beamter saß in einer Ecke und machte Notizen. Die Pressemitteilung war nicht sehr ergiebig, wie immer bei der Tokioter Polizei. In Saitama war das ganz anders gewesen.
    Vor zwei Tagen hatte die Polizei von Shinjuku den Eigentümer und Manager eines Clubs namens »The Mature Hot Wives Party Palace« in Kabukicho festgenommen, weil seine Angestellten Prostituierte waren. Er betrieb das Etablissement seit über einem Jahr und hatte fast 400 000 Dollar verdient. Shimozawa zeigte uns eine Anzeige des Clubs in der Tokyo Sports , einer beliebten Zeitung, die in der Stadt an jedem Bahnhof verkauft wurde:
    »Heiße, reife Frauen dürsten nach Liebe und wollen ihre Bedürfnisse befriedigen. Nichts ist schöner, als es mit der Frau eines anderen Mannes zu treiben, vor allem mit einer Frau in den besten Jahren.Rufen Sie an.«
    Die Anzeige zeigte mehrere Frauen Ende 30, die meisten mit einem schwarzen Balken über den Augen, der ihr Gesicht teilweise verdeckte. Akimoto hatte auch im Internet und per SMS geworben, für damalige Verhältnisse eine Sensation.
    Die Website bot dem Kunden noch den Vorteil, dass er die Seite ausdrucken und vor Ort vorzeigen konnte, um so einen Rabatt von mehreren tausend Yen zu bekommen. Die Website war sehr professionell gestaltet und verfügte über eine Auflistung sämtlicher Dienstleitungen, die ich aber nicht verstand. Was waren wakamesake oder shakuhachi?
    Shimozawa erklärte uns alles, nur nicht die Auflistung.
    »Im Gegensatz zu vielen Sexclubs in Kabukicho bietet dieser Club offen honban an. Sie haben mehr als 30 abrufbereite Frauen und 10 im Salon. Wir vermuten, dass das organisierte Verbrechen dahintersteckt. Haben Sie noch Fragen?«
    Niemand außer mir hob die Hand.
    »Was bitte ist honban ?«, fragte ich.
    Shimozawa sah mich überrascht an.
    »Sie wissen nicht, was honban ist?«
    »Nein.«
    Die Bohnenstange kicherte.
    »Das ist richtiger Geschlechtsverkehr mit dem Penis in der Scheide«, antwortete er ungerührt.
    »Aber passiert das nicht in allen Sexclubs?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber wenn die Kunden ihren Penis nicht einführen, was machen sie dann mit ihm?«
    Shimozawa lachte. »Haben Sie jemals über die Abteilung für Verbrechensverhütung berichtet?«
    »Nein.«
    »Dann wissen Sie also nicht, wie sie funktioniert?«
    »Wie was funktioniert?«
    »Die Sexindustrie.«
    »Nicht wirklich.«
    »Nun, dann sollten Sie sich unbedingt darüber informieren.«
    Nagoya-kun von Kyodo fragte, ob berühmte Leute da gewesen seien, als die Polizei den Club durchsuchte und den Betreiber verhaftete. Aber es waren wohl keine gesehen worden.
    Nun hatte ich noch eine Frage: »Wie viele Prostituierte wurden festgenommen?«
    »Keine.«
    »Und wie viele Freier?«
    »Keine.«
    »Nur der Manager?«
    »Nur der Manager.«
    Die anderen schauten mich an, als wäre ich schwachsinnig. Aber für mich ergab das Ganze keinen Sinn. Warum nahm die Polizei nur den Chef fest, wenn es ein Gesetz gegen Prostitution gab? Ich spürte ganz deutlich, dass ich mich hier auf unbekanntem Gelände befand. Auch wenn ich gerne noch einiges gefragt hätte, hielt ich lieber den Mund, weil ich das Gefühl hatte, dass die Beamten langsam ungeduldig wurden. Dann musste ich an eines meiner japanischen Lieblingssprichwörter denken: »Etwas nicht wissen und fragen ist einen Moment lang peinlich. Etwas nicht wissen und nicht fragen ist eine lebenslange Schande.« Also beschloss ich, lieber wie ein Idiot zu wirken und eine Menge Fragen zu stellen, als so zu tun, als wüsste ich Bescheid.
    Daher fragte ich schließlich erneut: »Dieser Club rühmte sich damit, dass alle Frauen verheiratet

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