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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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seien. Wie viele waren aber tatsächlich verheiratet?«
    Shimozawa brauchte gar nicht auf seinen Notizblock zu schauen. »Gute Frage. Nur etwa ein Drittel von ihnen war verheiratet. Die meisten waren geschieden oder ledig.«
    Als ich nach der Pressekonferenz meinen Computer einpackte, kam der Polizist, der in der Ecke gesessen hatte, zu mir und stellte sich vor. Später erfuhr ich, dass er »Alien Cop« genannt wurde. Er war fast 1,90 Meter groß – riesig für einen Japaner –, sehr mager, mit rasiertem Schädel und pechschwarzen Augen. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, eine marineblaue Krawatte und schwarze Slipper.
    »Sie kennen sich mit dieser Materie nicht besonders aus, oder? Sind Sie neu als Polizeireporter?«
    »Ich habe bisher über das organisierte Verbrechen berichtet.«
    »Ach so, das ist natürlich etwas ganz anderes.«
    »Ja, das habe ich gemerkt. Ich muss wohl noch einiges darüber lesen.«
    »Das Rotlichtviertel von Tokio ist kompliziert. Bücher helfen ihnen da nicht weiter. Sie können natürlich die Gesetze studieren, aber was schriftlich niedergelegt ist, ist nicht das, was auch durchgesetzt wird.«
    Dann gab er mir die Karte einer Bar in Kabukicho.
    »Ich mache um neun Uhr Feierabend. Treffen wir uns doch in dieser Bar. Dann führe ich Sie durch Kabukicho und erkläre Ihnen, was da läuft.«
    Dankbar nahm ich den Vorschlag an, denn es kommt nicht oft vor, dass ein Polizist einen Journalisten unter seine Fittiche nimmt.
    Zuerst musste ich aber noch einen Artikel über einen »Heiße-Frauen«-Club fertig schreiben. Nachdem ich etwa eine Stunde daran gearbeitet hatte, schickte ich ihn an meinen Redakteur. Danach ging ich zur Buchhandlung Kinokuniya, kaufte ein Buch über das japanische Strafgesetz und blätterte es durch. Es war in der Tat nicht leicht zu verstehen, Alien Cop wusste, wovon er sprach.
    Die Bar, in der ich den Beamten treffen sollte, war eine richtige Spelunke. Winzig, eher wie ein begehbarer Schrank. Die Obsidiantheke an der Bar zog sich durch den ganzen Raum. Hocker gab es nicht, auch keine Fenster und Tische. Es war so dunkel, dass ich ein wahres Feuerwerk entfachte, als ich mir eine Zigarette anzündete. Der Geschäftsführer trug einen Smoking und hatte sich eine Glatze rasiert. Ich wollte mir gerade ein Getränk bestellen, als er sagte: »Sie trinken einen Whiskey.« Dann schenkte er mir ein.
    Wenn man mit einem Polizisten trinkt, lautet die erste Regel: Du darfst nur Sake, shochu , Bier oder Whiskey trinken. Exotische Mischungen sind verpönt. Wenn du einen Blue Hawaii bestellst, kannst du gleich deine Sachen packen und anfangen, über Familienangelegenheiten zu schreiben.
    Alien Cop kam 30 Minuten zu spät. Er trug Bluejeans, rote Slipper und ein AC/DC-Hemd. War ich vielleicht zu fein angezogen? Er nickte dem Geschäftsführer zu, der nickte zurück, goss ihm einen Whiskey ein und gab dem Glas mit der Präzision eines schottischen Curlingteams bei Olympischen Spielen einen Stoß, sodass es genau zu meinem Begleiter rutschte. Sofort führte dieser das Glas an den Mund, dann knallte er es wieder auf die Theke.
    »Also, wie soll ich Sie nennen? Adelstein-san? Jake-san?«
    »Jake genügt.«
    »Okay, Jake-san. Sie finden das ganze Thema ein wenig verwirrend?«
    »Nun ja. Wenn Prostitution illegal ist, dann müssten doch alle Etablissements in dieser Gegend geschlossen werden!?«
    »Hängt davon ab, wie Sie Prostitution definieren. Wollen wir spazieren gehen? Ich habe frei, und das hier ist vertraulich.«
    Also gingen wir hinaus in die Nacht.
    Wir begannen unseren Rundgang durch Kabukicho in der Nähe des »Tokyo Topless«, eines legendären Stripclubs. Alien deutete im Vorbeigehen auf einige Läden und berichtete aus seinem Leben bei der Sitte.
    An einem Abend im Jahr 1999 sah Kabukicho wie ein hell erleuchtetes Märchenland aus, nur dass die Neonreklamen Oralsex anstatt Kinderspielzeug anpriesen. Vor den Häusern und mitten auf den Straßen gingen aufdringliche Schlepper auf potenzielle Kunden zu, packten sie am Ärmel oder drückten herumbummelnden Büroangestellten Flugblätter in die Hand. Aus einigen Häusern drangen aus Lautsprechern die rauchigen Stimmen von Frauen, die fantastische sexuelle Freuden versprachen – 200 Dollar für 40 Minuten. Einige Clubs zeigten auf beleuchteten Werbetafeln am Eingang Bilder halbnackter Frauen, die dort arbeiteten. Überall gab es Shops, Bars und jede Menge Werbung.
    »Warum wurden denn bei diesem Fall keine Prostituierten festgenommen?

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