Tokio Vice
Gab es da einen Handel oder so etwas Ähnliches?«
»Sie müssen wissen, dass das Gesetz gegen Prostitution im Grunde die Prostituierten schützt.«
»Wie das?«
Während wir am »Bareo« vorbeigingen, zeigte er auf eine thailändische Prostituierte, die in einer Gasse auf Freier wartete.
»Ich könnte sie festnehmen, wenn sie Männer offen zum Sex auffordern würde. Das ist verboten, aber wenn die Männer zu ihr hingehen, ist das in Ordnung. Also, das Ganze läuft so: Nach dem Krieg haben viele Leute ihre eigenen Kinder an die Sexhändler verkauft, als eine Art Sklaven.«
Ich nickte.
»1958 wurde dann Prostitution, so wie sie damals war, verboten. Vorher war es ein amtlich zugelassenes Gewerbe. Man wollte dadurch erreichen, dass Frauen nicht mehr zum Sex gezwungen wurden. Darum verbietet das Gesetz letztlich die Zuhälter, die Bordellbesitzer und die Männer, die Prostituierte anwerben. Die Idee dahinter ist, dass viele Frauen zu diesem Gewerbe gezwungen werden, und man nicht die eigentlichen Opfer bestrafen wollte. Außerdem würde dann auch niemand zur Polizei gehen. Freier und Nutten werden daher nicht bestraft. Wenn die Frau unter 20 ist, bringen wir sie höchstens in ein Heim.«
»Aber warum bestraft man denn die Freier nicht? Wäre das nicht eine Abschreckung?«
»Schon, aber wer hat das Gesetz Ihrer Meinung nach formuliert? Männer natürlich. In den Fünfzigern besuchte wahrscheinlich das halbe Parlament Soapland11. Da gab es ein echtes Problem: Mädchen wurden wie Vieh verkauft, und dagegen musste etwas unternommen werden. Aber deshalb wollten die Männer ihren Schwänzen doch keine Zügel anlegen. Und das ist der Stand der Dinge.«
»Prostituierte und ihre Freier werden also nicht bestraft. Aber was ist mit all den anderen Dingen, die sich hier abspielen? Die sind doch illegal, oder?«
»Nein. Die allgemeine Regel lautet: Solange es nicht zum Geschlechtsverkehr kommt, darf ein Club alle sexuellen Dienste anbieten, die gewünscht werden. Aber der Penis darf nicht in eine Vagina eindringen. Natürlich gibt es da manchmal Abgrenzungsprobleme.«
»Und darum dürfen sie auch Werbung machen, oder?«
»Genau. In Zeitungen, an Plakatwänden, auf Packungen mit Papiertaschentüchern. Schauen Sie sich zum Beispiel diesen Laden hier an.«
Wir standen vor einem Etablissement, das sich allen Ernstes »Pimmelschwester« nannte. Auf der Werbetafel waren Japanerinnen ohne Höschen, aber in weißer Schwesternuniform und mit weißen Häubchen zu sehen, die über einem Mann kauerten. Ihre Hände lagen auf seiner Leistengegend. Der Text war unmissverständlich:
»6000 Yen für 30 Minuten. Unsere Schwestern pflegen Ihren Unterleib und machen ihn gesund. Ausgebildete Schwestern untersuchen jeden Winkel Ihres Körpers und messen die Temperatur oral oder anal, ganz nach Ihren Wünschen. Sonderwünsche möglich.«
»Das ist also erlaubt, oder?«
»Ja, solange es nicht zum Geschlechtsverkehr kommt, gibt es kein Problem. Hier können Sie sogar erkennen, dass dieser Laden eine behördliche Genehmigung besitzt.« Er zeigte auf ein Siegel an der Tür.
Ich studierte die besonderen Angebote, verstand aber viele Begriffe nicht. »Was bedeutet das?«
» Anaru name? Das heißt Anilingus. Sie leckt Ihnen den After, wenn Sie einen Aufpreis zahlen. Sie können auch eine Prostatamassage bekommen. Dabei steckt sie Ihnen einen Finger in den Hintern, während Sie Ihnen einen bläst. Gehört zum Standardprogramm.«
Wir gingen weiter, und Alien erklärte mir, welchen Service die einzelnen Etablissements anboten. Es gab Massagesalons und schicke »Gesundheitsshops«, die meist manuellen und oralen Sex sowie Analmassage und Anilingus offerierten. Einige warben sogar mit Analsex. In sogenannten Imageclubs konnte man unter mehreren Persönlichkeiten wählen: jungfräuliche Bräute, Schulmädchen, Schwestern, Nonnen und Zeichentrickfiguren. Die meisten Frauen trugen irgendein Kostüm für einfache Rollenspiele.
Alien führte mich auch zur »Shinjuku Joshi Gakuen« (Shinjuku-Mädchenschule), dem berühmtesten Etablissement in Kabukicho, dessen Hostessen wie Schulmädchen gekleidet waren. Offenbar erinnerten die Uniformen viele Kunden an ihre ersten Lustgefühle.
»Waren Sie da schon mal drin?«, fragte ich Alien.
»Nein, weder beruflich noch privat. Aber der Club ist beliebt. Es gibt eine große Auswahl an verschiedenen Uniformen, von fast allen Oberschulen in Tokio. Das macht manche Männer ganz schön heiß.«
Sobald die Leute mich
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