Tokio Vice
kommt, lege ich schnell die falsche Uhr um.
Ich finde aber nicht, dass ich sie oder eine andere dieser Frauen ausnutze. Denn ich erfülle ihre Träume. Es ist, als hätten sie eine Affäre mit mir, obwohl wir nicht miteinander schlafen. Sie sind glücklich, wenn ich es bin. Und wenn alle glücklich sind, schadet das niemandem. Niemand täuscht etwas vor. Sie wissen genau, dass ich nur so lange ihr Freund bin, wie das Geld fließt.«
Hikaru, 25, geboren in Kobe, hatte schon mit 18 Jahren angefangen. Er war knapp 1,90 Meter groß und ein Prachtstück von einem Mann. Hiraku sah immer aus, als käme er gerade aus einem Solarium. Seine Nägel waren manikürt, seine Zähne perfekt und weiß, und sein Anzug kostete wahrscheinlich mein Monatsgehalt.
Vielleicht langweilte er sich ja in seinem Job, denn er wollte alles über mein Leben als Reporter wissen und fragte mich sogar, ob man ohne Studium Journalist werden könne. Aber darben musste er als Animateur wohl nicht. Gutes Aussehen war in seinem Beruf wichtig, und er sah gut aus.
»Manchmal«, sagte er, »suche ich mir einen Schauspieler aus, dem ich ähnlich sehe, und imitiere ihn. Dann hat die Kundin das Gefühl, mit einem Star zu flirten. Aber meist gebe ich mich als Juradoktorand an der Tokioter Universität aus, der sich hier seine Studiengebühren verdienen möchte. Dann hat die Kundin das Gefühl, auch etwas Soziales zu tun, nicht nur etwas für meine Brieftasche. Vielleicht träumt sie ja davon, eines Tages ihren Freundinnen von einem berühmten Anwalt erzählen zu können, der als Animateur gearbeitet hat und dessen Lieblingskundin sie war.
Du musst den Frauen die richtigen Komplimente machen, die üblichen Phrasen bringen nichts. Wenn sie sich alt fühlen, hast du etwas falsch gemacht. Sag einer Frau, dass ihre Haut makellos ist. Dass ihr Gesicht strahlt, wenn sie lächelt. Wenn sie Sommersprossen hat, fragst du, ob sie ein wenig europäisches Blut hat. Manche Frauen mögen es, wenn man sie nicht für reine Japanerinnen hält. Wenn du ihnen ganz besondere Komplimente machst, dann leuchten ihre Augen auf. Ich glaube, dass alle Frauen ihre Reize haben, man muss sie nur suchen und finden.
Ich ziehe Frauen in den Dreißigern vor. Mit denen kann man sich gut unterhalten. Wenn die Frau sehr lustig ist und viele Witze reißt, dann redest du am besten über etwas Ernstes. Und umgekehrt. Das zeigt, dass du auch ihre verborgene Seite erkennst.
Du musst in der Lage sein, mit Kundinnen über fast alles zu reden, sogar darüber, in welche Schule sie ihre Kinder schicken sollen. Ich habe vier Frauenzeitschriften abonniert, damit ich weiß, was sie bewegt. Sie unterhalten sich auch gerne über Fernsehprogramme, aber weil ich keine Zeit zum Fernsehen habe, halte ich mich mit Zeitschriften auf dem Laufenden.
Das Aussehen ist in diesem Geschäft natürlich am wichtigsten. Ich weiß, dass ich begehrenswert aussehen muss. Deshalb gehe ich viermal in der Woche ins Fitnessstudio, trainiere mit Gewichten, mache Aerobic und schwimme, damit ich schlank und fit bleibe. Die meisten Frauen mögen keine dicken Muskelpakete, sondern bevorzugen den Körperbau eines Tennisspielers. Ich benutze Hautpflegeprodukte und ein warmes Handtuch, bevor ich mich rasiere, damit meine Haut möglichst glatt aussieht. Manche Männer sehen mit kurzen Stoppeln ja gut aus, aber ich gehöre nicht zu ihnen. Frauen machen mir andauernd Komplimente wegen meiner Haut und meines Aussehens.
Ich verdiene etwa eine Million Yen (rund 10 000 Dollar) im Monat. Das ist viel, aber ich habe auch viele Unkosten. Ich brauche eine schöne Wohnung, muss mich immer schick anziehen und den Kundinnen Geschenke machen. Das alles zahle ich aus eigener Tasche, und die Geschenke dürfen nicht billig sein. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich umso weniger Geld habe, je mehr Kundinnen ich habe. Trotzdem schaffe ich es, monatlich 400 000 Yen (4000 Dollar) zu sparen. Und das ist mehr, als viele Leute verdienen. Ich kann mich also wirklich nicht beklagen.
Leider gefällt meinen Eltern nicht, was ich mache, obwohl ich es nicht ewig machen will. Denn man hat kein Privatleben, jeder Tag ist wie Sommerurlaub, aber man hat keine echte Freiheit. Den größten Teil der Freizeit verbringt man damit, auf Kundinnen zu warten. Manchmal geht man dann mit einer Frau einkaufen, ein andermal zu einem Ferienort.
Es ist schwer, dabei eine Freundin zu haben. Denn Mädchen schätzen es nicht, mit einem Kerl zusammen zu sein, der als Animateur
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