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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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passiert war. Mr. Blackman hatte die Tokioter Polizei auf der Suche nach Lucie so verärgert, dass niemand mit ihm reden wollte. Die Kripobeamten wussten, dass er alle Informationen an die Presse weiterleiten würde, und das gefiel ihnen nicht. Und er wusste, dass sie ihn nicht auf dem Laufenden halten würden. Er wollte die Informationen von jemandem erfahren, den er kannte, nicht erst aus Zeitungen. Und ich hatte ihm versprochen, ihn anzurufen – jederzeit, bei Tag oder Nacht –, sobald es echte Neuigkeiten gab. Jetzt war es so weit.
    Lucie Blackman, seine älteste Tochter, wurde seit dem 1. Juli 2000 vermisst. Damals konnte ich das nicht ahnen, aber der Fall sollte ein bedeutender Punkt in meiner Karriere werden. Unter dem oberflächlichen Lack der leichtlebigen, aggressiven japanischen Sexindustrie lauerte eine ganze Welt aus Verderbtheit und sexueller Ausbeutung, von der ich keine Ahnung hatte. Das Wort »Menschenhandel« gehörte bisher noch nicht zu meinem Vokabular, ja, passte nicht einmal in mein Vorstellungsvermögen. Es dauerte Jahre, bis ich wirklich verstand, was ich da erlebte, als ich nach Lucie suchte.
    Lucie, eine Britin, kam am 4. Mai 2000 nach Japan. Sie arbeitete nebenberuflich als Stewardess für British Airways, doch ihre beste Freundin Louise Phillips hatte sie dazu überredet, als Hostess in Japan gutes Geld zu verdienen und sich dabei zu amüsieren. Lucie hatte in der Heimat einige Schulden angehäuft, und als Stewardess war sie ständig müde, weil sie mit dem Jetlag nicht zurechtkam. Ein »bezahlter Urlaub« oder »Arbeitsurlaub« hörte sich daher gut an.
    Louises Schwester hatte ein paar Jahre in Japan als Hostess gearbeitet, kannte viele Tricks und wusste, was man dabei verdienen konnte. Lucie und Louise kamen als Touristinnen zusammen in Japan an und nahmen sich sofort eine Wohnung in einem zwielichtigen Gaijin -Haus, einem Apartmentgebäude, in dem die meisten Mieter Ausländer waren. Die Kaution war niedrig, von der üblichen Provision für den Vermieter war keine Rede, und Visa wurden fast nie überprüft.
    Gesetzlich ist es zwar verboten, in Japan mit einem Touristenvisum zu arbeiten, aber damals duldeten es die Behörden noch. Die meisten ausländischen Mädchen, die als Hostessen arbeiteten, wurden nach ein paar Wochen darauf hingewiesen, dass sie gegen das Gesetz verstießen – so konnte man sie bei Lohnverhandlungen und allen anderen Gelegenheiten gut unter Druck setzen.
    Die große blonde Lucie war überaus attraktiv. Sie und Louise gingen nach Roppongi, einem bekannten Treffpunkt für Ausländer und solche Japaner, die gerne Ausländer kennenlernen wollen. In der wirtschaftlichen Blütezeit der späten Achtzigerjahre war dies eine teure Gegend mit schicken Diskotheken, die 30 Dollar Eintrittsgeld verlangten und strenge Kleidervorschriften hatten. Doch als die Wirtschaft schwächelte, öffneten sich die Türen für den Pöbel, und das Viertel wurde allmählich von billigeren Hostessenkneipen übernommen, von kleinen Nachtclubs, Massagesalons, Bars mit Prostituierten, Bars, in die Angestellte nach Feierabend gingen und in denen sie jederzeit Drogen bekamen, und riesigen Clubs, die den Abschaum der ausländischen Bevölkerung mit billigem Fusel versorgten und keinen Eintritt verlangten. Die klassischen Clubs zogen nach Nishi-Azabu um.
    Roppongi ähnelt in vieler Hinsicht Kabukicho, ist aber verwahrloster und voller gaijin . Deshalb heißt das Viertel auch »Gaijin Kabukicho«. Die Polizei hat hier schon längst kein Interesse mehr daran, die Gegend sauber zu halten, denn wenn dort Verbrechen geschehen, sind die Opfer meist Ausländer. Als Lucie ankam, hatte der Abstieg des Viertels gerade begonnen.
    Am Neunten arbeiteten Lucie und Louise im »Casablanca«, einem Hostessenclub schräg gegenüber dem »Seventh Heaven«, Roppongis erster Stripbar mit Ausländerinnen. Damals waren noch neun andere Mädchen in diesem Club, und alle außer Louise waren blond. Sie verdienten 5000 Yen (rund 50 Dollar) pro Stunde, hinzu kamen noch Provisionen für die Getränke12 und die Sonderwünsche einzelner Gäste.
    Drei Wochen später, am 1. Juli, rief Lucie ihre Freundin aus Shibuya an und sagte: »Ich treffe heute einen Kunden aus dem Club. Er kauft mir ein Handy. Ich bin so aufgeregt.« Am Abend rief sie Louise erneut an und sagte, dass sie sich auf dem Heimweg befinde. Aber sie kam nie zu Hause an.
    Am 3. Juli erhielt Louise einen sehr seltsamen Anruf. Ein Japaner, der sich Akira Takagi

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