Tokyo Love
Ausbeute der Untersuchungen zu berichten. Ich konnte es einfach nicht fassen, daß Ama vergewaltigt worden sein sollte. Er war doch keine Schwuchtel, die sich ficken ließ, ganz im Gegenteil. Und selbst wenn er bisexuell gewesen wäre, hätte er immer den aktiven Part übernommen. Insofern war es ganz und gar unmöglich, ihm solche Neigungen zu unterstellen.
Als ich den Laden betrat, begrüßte ich Shiba-san, der hinter dem Tresen saß und rauchte, mit einem schwachen Lächeln. Ich brachte es nicht über mich, ihm von der Vergewaltigung zu erzählen. Andere brauchten es nicht zu wissen. Es reichte, wenn Amas beschmutztes Andenken in meinem Kopf herumspukte.
»Keine neuen Ergebnisse.«
»Hm«, brummte Shiba-san und schickte mir, als wollte er mich imitieren, ein schwaches Lächeln zurück. Seit Amas Tod benahm er sich sehr liebenswürdig zu mir. Seine Ausdrucksweise war zwar nach wie vor dreist und ungehobelt, aber ich spürte mehr und mehr Rücksichtnahme und Güte in seinem Ausdruck und seinem Verhalten. Er schob mich ins Hinterzimmer und ging zurück in den Laden, nachdem er mich zum Hinlegen bewegt hatte. Ich lag eine Weile wach, bildete mir jedoch ein, ohne Alkohol nicht schlafen zu können, und stand deshalb wieder auf und ging rüber zum Kühlschrank. Dort fand ich eine billige Flasche Rotwein, die ich öffnete und gleich zum Trinken ansetzte. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte ich Hunger und aß ein Stück Brot aus dem Kühlschrank. Ein Bissen reichte mir jedoch, denn von dem Hefegeruch wurde mir sofort schlecht. Also packte ich das Brot wieder zurück und schmiß die Kühlschranktür zu. Mit der Pulle Wein in der Hand setzte ich mich auf den Schreibtischstuhl, kramte das Kosmetiktäschchen hervor und betrachtete die beiden Zähne, die Ama mir als Liebespfand vermacht hatte. Versonnen ließ ich sie auf meiner Handfläche hin und her kullern. Was hatte diese Trophäe jetzt noch für einen Sinn, wo Ama nicht mehr da war? Was erwartete ich eigentlich, wenn ich die Dinger anstarrte? Ich schaute sie mir viel öfter an, seitdem Ama aus meinem Leben verschwunden war. Jedesmal wenn ich sie zurücklegte, überkam mich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Sollte ich jemals dieses Ritual, mir die Zähne anzuschauen, aufgeben, würde ich dann auch Ama vergessen haben? Ich verstaute die Zähne im Kosmetiktäschchen. Kurz darauf blieb mein Blick an etwas hängen. Aus der halboffenen Schreibtischschublade lugte ein Päckchen aus transparentem Papier hervor. Ein Blick reichte, und ich machte mich auf das Schlimmste gefaßt. Ich zog das Päckchen aus der Schublade und nahm es in die Hand. Ecstasy-Moschus!
Ich sprang sofort auf und stürzte durch den Laden.
»Ich geh was besorgen«, rief ich Shiba-san zu, ohne mich nach ihm umzuschauen. Wohin ich denn wolle, fragte er verdutzt zurück. Ich lief zu dem asiatischen Gemischtwarenladen.
Außer Atem kehrte ich zurück zum Desire. Shiba-san sah mich besorgt an.
»Lui, wo bist du nur gewesen? Ich hatte echt Angst um dich.«
»Ich habe Räucherstäbchen gekauft. Ich hasse Moschus.«
Ich holte das Päckchen aus dem Schreibtisch, ließ sämtliche Stäbchen herausgleiten und brach sie in der Mitte entzwei, bevor ich das Zeug in den Mülleimer warf.
»Ich habe Kokos besorgt.« Ich zündete eins der Stäbchen an und steckte es in den Halter.
»Was soll das, Lui?«
»Nichts weiter, Kizuki! Du solltest dir übrigens dein Haar wachsen lassen. Ich mag langes Haar lieber.«
Shiba-san lachte über meinen Vorschlag. Vor kurzem hätte er mich dafür garantiert mit einem verächtlichen Blick gestraft und mich angeschnauzt, ich solle mich um meinen eigenen Scheiß kümmern. Aber nun sagte er: »Na ja, warum eigentlich nicht? Ich kann sie ja mal wachsen lassen.«
An diesem Abend kehrte ich zusammen mit Shiba-san in seine Wohnung zurück und aß sogar eine Kleinigkeit. Mein Magen rebellierte zwar, aber Shiba-san freute sich dermaßen darüber, daß ich mich dann doch nicht übergab. Anschließend legte ich mich mit ihm zusammen ins Bett und wartete, bis er eingeschlafen war. In der Stille des Zimmers gingen unentwegt scheußliche Phantasien durch meinen Kopf. Es war immer wieder die gleiche Szene.- Shiba-san, der Ama die Kehle zudrückte, während er ihn vergewaltigte. Ich malte mir alles mögliche aus – wie Ama dabei gelacht haben mochte und Shiba-san in Tränen ausbrach. Wenn Shiba-san tatsächlich der Mörder war, dann mußte er Ama viel stärker gewürgt haben, als er es bei
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