Tolle Maenner
Lokalzeitung ausbreitet, dachte er.
Er konnte einfach nicht glauben, dass Tracie so gehässig war und den Artikel aus Rache veröffentlicht hatte. Aber er hatte sie wohl nie richtig gekannt. Er hatte sich so aufgeregt, dass er die Nacht bei seiner Mutter hatte verbringen müssen, und das war nicht ganz einfach gewesen. Sie hatte den Artikel natürlich auch nicht gut gefunden, hatte ihn aber trotzdem immer wieder gedrängt: »Ruf Tracie an. Ich weiß zwar nicht, wie es zu all dem kommen konnte, aber ich weiß sehr wohl, dass eine Freundschaft wie die eure nicht so enden sollte. Ruf sie an.« Dann hatte sie viel über Vergebung gesprochen und ihn gedrängt, seinen Vater im Krankenhaus zu besuchen. Jon war so außer sich über
diesen Vorschlag und dachte – aber er sprach es natürlich nicht aus -, es sei wesentlich leichter, jemandem zu vergeben, der ihr Leben ruiniert hatte, als jemandem, der das seine zerstört hatte.
Trotzdem hatte er einen Besuch bei seinem Vater noch nicht wirklich ins Auge gefasst. Nachdem er über sein Mitleid hinweggekommen war, hatte er fast das Gefühl, dass er auf Chuck auch wütend war. Was sollte eigentlich der ganze Quatsch mit Muttertag und Vatertag? Wieso gab es keinen Kindertag? Mit Hilfe des Feiertags hatte Chuck ihn eben erst dazu gebracht, sich mit ihm zu treffen, ohne dass er sich explizit für sein kindisches und rücksichtsloses Verhalten im Lauf der Jahre zu entschuldigen brauchte. Seine Mutter konnte leicht Vergebung predigen, denn Großvater war ein wirklich guter Vater und ein netter Kerl gewesen. Er hatte Chuck häufiger vertreten müssen, als es Jon lieb gewesen war. Am nächsten Vatertag, beschloss Jon, würde er zur Abwechslung mal das Grab seines Großvaters besuchen und ihm danken. Wenn er nicht vorher vor Verlegenheit starb.
Jon versuchte, die anderen Angestellten nicht weiter zu beachten, die gekommen waren, um zu trainieren oder ihn anzustarren, aber leicht war das nicht. Am liebsten hätte er das Laufband ausgeschaltet, wäre heruntergesprungen und hätte ihnen haarklein erklärt, was genau Tracie ihm angetan hatte. Wie sehr sie ihn verletzt hatte. Wie sie ihn als den Clown der Stadt bloßgestellt hatte. Wie sie ihn zum Maskottchen von Micro/Con gemacht hatte. Jon aber entschied sich dafür, weiter auf dem Laufband zu joggen. Sein Herz hämmerte mit jedem Schritt. Wie konnte sie mir das nur antun?, dachte er. Er konnte sich nicht erinnern, diesen Schmerz in der Brust wieder verspürt zu haben, seit sein Vater seine Mutter und ihn vor so langer Zeit verlassen hatte. Natürlich hatte er Mitleid gehabt mit all den anderen Frauen, die sein Vater nacheinander verlassen hatte, aber diese Kränkung war mehr, als Jon verkraften konnte.
Er wischte sich die Schweißperlen von der Stirn, bevor sie ihm in die Augen rollen und brennen konnten. Obwohl das gar nicht so schlecht wäre, dachte er. Dann wäre mein Blick vielleicht so
getrübt, dass ich nicht mehr sehen könnte, wie alle mich anstarren. Er fragte sich, ob der Schmerz, den er jetzt empfand, derselbe war, den er all den Frauen zugefügt hatte, mit denen er seit Beginn seiner Verwandlung geschlafen hatte. Vor allem Beth, die Hartnäckigste von allen. Nun, dank Miss Higgins war er schließlich doch noch zum wahren Sohn seines Vaters geworden.
Warum hatte Tracie erst mit ihm geschlafen, nachdem er mit all den anderen zusammen gewesen war? War sie eifersüchtig auf sie? Hatte sie ihn die ganze Zeit schon gewollt? Oder wollte sie nur sehen, ob er das mit dem Sex auch richtig machte, um sich darüber Notizen zu machen? Jon hielt es im Fitnessraum nicht mehr aus, und so sprang er vom Laufband und ging hinaus. Sein Handtuch nutzte er als Schild, hinter dem er sich verstecken konnte, während er sich sein nasses Gesicht und seinen Nacken abrieb.
Wenigstens war der Umkleideraum leer, und so war ihm ein bisschen Zeit vergönnt, um die Fassung wiederzugewinnen, bevor er in den Flur hinaustreten musste. Er hatte schon den halben Weg zu seinem Büro hinter sich, als er Samantha begegnete. Jon sehnte sich fast schon nach der Zeit zurück, als es lediglich ein Traum von ihm gewesen war, sie auf sich zukommen zu sehen. Aber was sie nun mit ihm machte, übertraf selbst seine wildesten Träume. »Du dreckiger kleiner Mistkerl!«, spuckte Sam ihm ins Gesicht, und bevor Jon etwas erwidern konnte, hatte sie ihm auch schon eine Ohrfeige verpasst.
Na wunderbar, dachte er, wenn alle Frauen bei Micro/Con so reagieren, bin ich bis zum
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