Tolle Maenner
schließlich nicht deine Schuld, wenn deine Artikel bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden«, versuchte Jon sie zu trösten.
»Ich könnte ja kündigen.«
Tracie schob ihren Einkaufswagen in den nächsten Gang. Laura grinste Phil an, als dieser mit einer weiteren geschnorrten Zigarette zwischen den Lippen wieder zu ihnen stieß. »Du wärst eine großartige Kolumnistin. Besser noch als Anna Quindlen«, meinte Jon.
»Wer ist Anna Quindlen? Kenn ich die?«, fragte Phil.
»Nur eine Journalistin, die den Pulitzerpreis gewonnen hat«, erklärte Laura. »Jetzt schreibt sie Romane.«
Phil zuckte mit den Achseln. »Ich lese kein kommerzielles Zeug.«
»Tracie, du solltest wirklich mal auf eigene Faust was schreiben, etwas, worauf du stolz sein kannst«, fuhr Jon fort, als wären sie nie von Laura und Phil unterbrochen worden. »Du würdest Fanpost von deinem Dad bekommen, und die Nachwuchsjournalisten würden dir alle ihren Lebenslauf zuschicken.«
Tracie starrte ihn an. Was auch geschah, Jon setzte sich immer für sie ein.
»Jetzt hör aber endlich auf!«, rief Phil. Seine Wut verblüffte Tracie, aber sie wollte ihn nicht noch mehr reizen. Sie wusste, dass er gerade wegen einer Absage von einer Literaturzeitschrift ziemlich deprimiert war. Natürlich war sein Werk mit ihrer Arbeit nicht zu vergleichen. Es war dicht und indirekt. Aber am besten redete man in seiner Gegenwart nicht zu viel über ihre Artikel, denn das konnte er nicht ausstehen. Er konnte ihre Arbeit nicht ernst nehmen, und sie konnte das ebenso wenig, weil es letzten Endes doch nur kommerzieller Schrott war.
»Laura, nimmst du für deine Tomatensoße weiße oder rote Zwiebeln?«, fragte Tracie, um das Thema zu wechseln.
»Am liebsten die roten.«
Phil machte sich schon wieder aus dem Staub, und Tracie seufzte unwillkürlich laut auf. Dann ging sie zu den Zwiebeln. Jon und Laura folgten ihr schweigend. Tracie warf die Zwiebeln
in ihren Korb und bog mit Laura in einen anderen Gang ein. »Ich muss noch ein paar Sachen besorgen. Also bis später«, sagte Jon.
Tracie war überrascht, denn normalerweise hing er an ihr wie eine Klette. Manchmal musste sie ihm sogar zuflüstern, er möge doch bitte nach Hause gehen, damit sie ein bisschen mit Phil allein sein konnte.
»Tschüüs«, sagte Jon. »War nett, dich kennen zu lernen, Laura.«
»Gleichfalls«, rief Laura über die Schulter zurück. »Und sag mir bei Gelegenheit, wie spät es ist.«
»Falls du Phil siehst, richte ihm bitte aus, dass wir fertig sind«, rief Tracie Jon hinterher. Dann schaute sie ihm nach, genau wie Laura.
»Das ist also Jon«, stellte Laura fest. »Ich finde ihn eigentlich ganz niedlich – er erinnert mich an R2D2 aus Star Wars .«
»Jon? Niedlich? Ja, das ist er wohl«, stimmte Tracie zu. »Aber ist er auch niedlich genug, um sich eine Frau zu angeln?«
»Bis jetzt stellt er sich an wie ein Volltrottel. Wie viel hast du schon mit ihm gearbeitet?«
»Ich hab eben erst angefangen«, gestand Tracie.
»Warum hat er nicht mehr Selbstvertrauen?«, fragte Laura. »Er ist doch klug, und seine Schultern sind auch nicht übel.«
»Er ist zu klug«, sagte Tracie. »Du weißt schon – so klug, dass es schon nicht mehr gut tut. Er hatte wenig Kontakt zu seinem Vater«, erklärte sie weiter. »Ich fürchte, dass Jungs, die nur bei ihrer Mutter aufwachsen, immer irgendwie eine Macke abkriegen.«
Laura schaute sie stirnrunzelnd an. »Etwa so, wie Mädchen eine Macke abkriegen, die von ihren Vätern großgezogen werden?«, fragte sie.
Tracie wackelte mit dem Kopf, wie sie es auf der High School immer getan hatten. »Also gut, touché«, räumte sie ein, »ich sollte vielleicht nicht so verallgemeinern, aber du verstehst schon, was ich meine.«
»O ja, ich verstehe schon. Aber verstehst du auch?«
Tracie zuckte mit den Achseln. »Was?«, fragte sie.
Laura lachte und schüttelte den Kopf. »Du bist dir anscheinend selber das größte Rätsel«, erklärte sie ihrer besten Freundin.
14. Kapitel
Tracie saß Jon gegenüber und betrachtete ihn, wie ein Künstler eine leere Leinwand betrachten mochte. Nun ja, dachte sie, es wäre wirklich einfacher, wenn er eine leere Leinwand wäre. Gekleidet war er zwar schon wesentlich besser – er trug ein schwarzes Armani-T-Shirt, das fantastische Lederhemd und eine Levis 501 -, aber irgendwie passte das alles noch nicht so recht zusammen. Seine langweilige Frisur, seine Brille und selbst seine Körperhaltung waren einfach indiskutabel.
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