Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
fuchtelte herum. Gustav musterte sie, als zweifle er an ihrem Geisteszustand.
»Du benimmst dich unmöglich. Kein Wunder, dass deine Eltern dich nicht behalten wollten«, stellte er gehässig fest.
Kates Begeisterung zerplatzte wie eine Seifenblase. Wie sollte sie mit diesem Mann ein Auskommen finden? Er war und blieb ein Ekel.
Sie gingen weiter.
Nach einer Weile räusperte Gustav sich.
»Manchmal ist es mir so vorgekommen, als stünde der Band an einer anderen Stelle. Wäre nur ein Eselsohr darin gewesen, hätte ich dir das Fell gegerbt.«
Kate war klug genug, ihm darauf nicht zu antworten. Das war seine Art sich zu entschuldigen, und mehr würde sie nie von ihm bekommen.
Stückchenweise entlockte sie Gustav, wie es ihm bisher in Easton ergangen war. Durch den Gefängnisaufenthalt geschwächt, über den er sich zu reden weigerte, war er nach der Ankunft erkrankt und verbrauchte seine Ersparnisse für einen Arzt und Medizin. Für eine gute Arbeitsstelle fehlten ihm die nötigen Referenzen. Am Ende musste er froh sein, einen schlecht bezahlten Job zu erledigen und unter erbärmlichen Bedingungen im Hinterzimmerchen der Apotheke hausen zu dürfen. Die verschimmelten Wände und die Feuchtigkeit in der Behausung hatten seine schwache Gesundheit zusätzlich angegriffen. Dies hatte wiederum das bisschen Geld aufgefressen, was er seinem Arbeitgeber entlocken konnte.
Wenn Kate nicht erschienen wäre, hätte er irgendwann zu den armen Teufeln gehört, die in einer zugigen Ecke starben und in einem Armengrab verscharrt wurden.
Easton war beileibe nicht das Paradies, für das sie beide es gehalten hatten. Die Stadt schenkte Neuankömmlingen nichts und sortierte die Schwachen und Verletzlichen gnadenlos aus.
29. Onkel und Nichte
Sie besorgten Gustav respektable Kleidung und für Kate die einer jungen Dame des mittleren Standes angemessene Garderobe. Der Wollmantel und die feinen Lederschuhe mochten nicht der allerneuesten Mode entsprechen, waren jedoch gut gearbeitet und ließen sie in Kombination mit einer schlichten Bluse und einem grauen Rock ehrbar und unauffällig erscheinen. Keiner sah ihr die abenteuerliche Vergangenheit an. Mit Ausnahme der abgekappten Haare natürlich. Um neugierigen Blicken zu entgehen, entschied sie sich deshalb gegen einen Hut und wählte ein altmodisches Kopftuch. Hinter dieser Aufmachung würde niemand eine Baroness vermuten, und sie fühlte sich auch nicht wie eine. Sofort nach ihrer Verwandlung in eine junge Frau wechselten sie das Hotel. Diesmal trug sie sich mit Gustavs Nachnamen in das Gästebuch ein, und er gab sich als ihr Onkel aus.
Die restlichen Goldstücke reichten, ein unscheinbares Haus in einer einigermaßen guten Gegend zu mieten. Groß genug, um darin wohnen und ihre Produkte in einem daran anschließenden Schuppen herstellen zu können, wurde es der Ausgangspunkt ihrer kleinen pharmazeutischen Firma. Eine Salbenmaschine und ein altes Abfüllgerät erwarben sie gemeinsam mit einer gebrauchten Laboreinrichtung. Nur wenige Tage nach dem Einzug machte Gustav sich auf, den Läden die ersten Tuben Heilsalbe anzubieten. Zuerst lief das Geschäft schleppend, aber die Kunden mochten das Produkt. Im Laufe der Zeit stieg die Nachfrage, und es dauerte nicht lange, bis er einen Jungen einstellte, der für ihn die Bestellungen austrug. Ein halbes Jahr später arbeiteten bereits zwei weitere Angestellte für ihn.
Kate übernahm eher widerwillig die Buchführung, doch sie merkte schnell, wie sehr sie Gustav im kaufmännischen Bereich überlegen war. Wenn sie von ihrem Vater etwas gelernt hatte, dann dies: Ein Land müsse geführt werden wie ein Betrieb. Man habe jederzeit zu wissen, wo das Geld herkäme und wohin es wieder verschwinden würde.
Die Zahlen langweilten sie zwar, doch erfüllte es sie mit Befriedigung, am Ende des Monats einen Überschuss zur Bank bringen zu können. Falls der Gewinn weiter so anstieg, konnten Gustav und sie bald ein eigenes Haus anzahlen und neue Produktreihen entwickeln.
Kate suchte häufig Läden auf, um sich dort umzusehen und die Kunden beim Einkaufen zu beobachteten. Noch erwärmte sich Gustav nicht für ihren Vorschlag, verstärkt in die Kosmetikherstellung einzusteigen. So rümpfte er die Nase darüber, Schönheitscremes herzustellen, aber sie sah darin die Zukunft. Frauen sehnten sich schließlich danach, hübsch und begehrenswert auszusehen, und gingen dementsprechend freigiebig mit dem Geld um.
Eine Sache gab es, die sie belastete. Wenn
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