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Tolstoi Und Der Lila Sessel

Tolstoi Und Der Lila Sessel

Titel: Tolstoi Und Der Lila Sessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Sankovitch
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Unternehmungen von Jack, Meredith und mir war ein Sonntagsausflug zum Bear Mountain, einem Naturschutzgebiet in der Nähe von New York. Es war Ende Oktober, die Bäume hatten schon ihr Laub verloren, aber es war mild, der Himmel klar, und die Sonne schien. Wir verbrachten den Tag mit Kinderspielen – wir vergnügten uns auf einem Spielplatz, liefen einmal um den See herum und spielten Fangen auf den holprigen Wiesen.
    Auf der Rückfahrt nach New Jersey, wo Meredith mit ihrer Mutter lebte, beklagte sie sich, dass sie auf der Rückbank sitzen musste.
    »Vielleicht sollten wir Nina hier rauslassen, was meinst du, Meredith?«, fragte Jack. »Dann kannst du vorne sitzen?« Wir waren auf der Route 9, irgendwo in Bergen County. Draußen war es inzwischen dunkel und kalt.
    »Ja, Dad, lass sie raus.«
    Jack lachte und fuhr langsamer.
    »Was hast du vor?«, fragte ich.
    Jack zwinkerte mir zu. »Bist du sicher, Meredith? Draußen ist es ziemlich kalt, und der Weg in die Stadt ist lang.«
    »Tu es trotzdem, Dad, sie kommt schon zurecht.«
    Jack tat es nicht, er beschleunigte, und wir brachten Meredith zu ihrer Mutter nach Hause.
    Am besten könnte man unsere Beziehung so beschreiben: Ich bin Merediths älteste Freundin. Ich kenne sie, seit sie sechs Jahre alt ist. Ich bin mit ihr gereist, wir haben zusammen gewohnt. Wir haben beide eine Vorliebe für Katzen und Pferde, für Rotwein und Schokolade. Sie hat mich getröstet, wenn ich weinen musste, und ich war für sie da, wenn sie mich brauchte. Wie jede jahrelange Freundschaft hat sie Blütezeiten und Durststrecken erlebt, es hat Phasen der Nähe, des Stillstands und des Neuanfangs gegeben. Und wie in jeder richtigen Freundschaft ging jedem Neuanfang eine liebenswürdige Geste voraus. Am Wochenende nach unserem Ausflug zum Bear Mountain ließ ich Meredith in unserem Mietauto vorne sitzen. Als Jack in meine Wohnung in Chelsea einzog, feierte ich das mit Meredith, indem ich mit ihr einen Tag lang Weihnachtskekse in Katzenform buk. Die Kekse waren hart wie Stein, als sie aus dem Ofen kamen, und wir machten Anhänger für den Weihnachtsbaum daraus. Mithilfe eines Nagels hämmerten wir in jeden Keks ein Loch (sie waren wirklich so hart!) und zogen Bänder hindurch, an denen wir sie aufhängten.
    Als Meredith neun Jahre später fest bei uns einzog, zeigte sie viel Nachsicht im Umgang mit ihren Brüdern, sie war außergewöhnlich geduldig und liebevoll mit ihnen. Ich meinerseits bestand darauf, dass wir ihr in unserer kleinen Stadtwohnung unser Schlafzimmer überließen und selbst im Wohnzimmer schliefen, denn ich wusste, dass Meredith ein Zimmer für sich brauchte.
    Dreizehn Jahre später brauchte sie wieder Sicherheit und ein Zimmer für sich. Ihr das zu bieten fiel mir leicht. Aber ich wollte mehr tun. Die Liebe zwischen Mutter und Kind wird als natürlich vorausgesetzt. Meine Liebe zu Meredith hingegen musste immer wieder unter Beweis gestellt werden. Ich wollte ihr irgendetwas Besonderes bieten. Ich lud sie zu einem Tag bei den U.S. Open in Queens ein, und sie nahm die Einladung an.
    »Wir müssen richtig früh aufstehen«, warnte ich sie. Ich kaufe jedes Jahr Eintrittskarten zu den Open ohne feste Sitzplätze. Wenn ich gegen acht Uhr bei den Tennisplätzen bin und mich in der Schlange anstelle, bis die Tore um zehn Uhr geöffnet werden, dann so schnell wie möglich zum Grandstand Stadium laufe, kann ich Plätze in der ersten Reihe ergattern. Wenn ich auf dem Weg ein paar Leute anrempele, entschuldige ich mich (Freundlichkeit) und renne weiter (Entschlossenheit: schließlich sind dies die einzigen U.S. Open). Ich erklärte Meredith das Vorgehen, und sie war bereit mitzumachen.
    Wir kamen zeitig in Flushing Meadow an und würden nicht lange warten müssen. Ich holte mein Buch des Tages hervor, Better von John O’Brien. Es war ein deprimierender Roman, der von Sex, Alkoholismus und Geld handelte. Das Buch enthält mehrere sehr explizite Passagen über Sex und andere Ausschweifungen unter Alkoholeinfluss, weshalb ich mich tief über das Buch beugte und hoffte, dass niemand über meine Schulter mitlas. Um zehn Uhr wurden die Tore geöffnet, und ich spurtete los, rannte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe zum Grandstand rauf und glitt auf einen Platz auf der rechten Seite hinter der Grundlinie. Meredith war dicht hinter mir und lächelte.
    »Das sind tolle Plätze«, sagte sie.
    »Ja«, stimmte ein anderes Paar noch ganz außer Atem zu und setzte sich neben uns. Sie hatten

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