Tolstoi Und Der Lila Sessel
befasst (das heißt ob und wie man ein guter Mensch sein kann), und ihr Geld. Sie hat eine Menge Geld, mehr als genug, um bequem davon zu leben, aber nicht so viel, dass es eine Belastung wäre.
Ich las die sechste Folge der McCall-Smith-Bücher, The Lost Art of Gratitude , am 1. Oktober. Mit der Handlung, in der es um finanziellen Betrug, Plagiat und das sich wandelnde Verhältnis zu dem Vater ihres Kindes geht, sind Isabels Überlegungen zum Konzept der Dankbarkeit verwoben. Isabel denkt, dass die Herkunft »bestimmt, wer wir sind … Eine Kultur, eine Sprache, eine Zusammensetzung von Genen bestimmen über Hautfarbe, Größe, Anfälligkeit für Krankheiten«, und dass wir dankbar sein sollten für die Chancen, die sie birgt. Wie Isabel meine ich, dass diejenigen unter uns, die reich versehen sind mit Gesundheit, Wohlstand und einem sicheren Leben, auch eine Verantwortung tragen.
Diese Gedanken sind nicht neu, als Isabel sie äußert, noch waren sie neu, als sie Jesus im Lukasevangelium zugeschrieben wurden oder als JFK sie formulierte. Aber manches kann gut und gerne öfter wiederholt werden, und McCall Smith versteht es meisterhaft, erprobte Grundsätze und Wahrheiten mithilfe seiner sympathischen und gefälligen Figuren neu zu formulieren. So belebt er alte Weisheiten neu. Als ich das Buch ausgelesen hatte, war ich hochzufrieden, moralisch geläutert und bereit für anspruchsvollere Lektüre.
Der Monat ging weiter wie die vorherigen: ernstere Werke im Wechsel mit leichterer Lektüre, Krimis in bunter Mischung mit Bildungsromanen, Reflexionen über das Alter oder das Lebensende einerseits, Literatur für jüngere Leser andererseits, Schauerromane und »roman noir« vermischt mit Lebensberichten und Autobiografien. Ich las Kurzgeschichten und lange Romane, Erfahrungsberichte und Science-Fiction, und an allem fand ich mein Vergnügen.
Ich ergötzte mich an den Schlussworten des Prologs von Thrity Umrigars Bombay Time und blätterte, begierig nach mehr, die Seite um: »Ein Tag, ein Tag. Ein silbernes Gefäß von Versprechen und Hoffnung. Eine neue Chance. Für Neuerfindung, für Wiederauferstehung und Wiedergeburt. Ein Tag. Das Mindeste und das Größte in unserem Leben.« Bei J. A. Bakers dahinfließenden Naturbeschreibungen in Ich folgte dem Falken bekam ich eine Gänsehaut, meine Sinne spannten sich in Bereitschaft: »Dann schlug er die Flügel auf und nach hinten und wurde schneller. Und noch schneller, der ganze Körper flach gestreckt und kompakt. Er beschrieb einen großartigen Bogen und stürzte sich zur Erde herab … Hinter ihm sah ich Felder aufblitzen, dann verschwand er hinter Ulmen und Hecken und Farmgebäuden. Und ich blieb zurück mit nichts, außer dem Wind, der wehte, und der verdeckten Sonne, mein Hals und die Handgelenke waren steif und kalt, meine Augen tränten, und die Pracht war fort.«
Die herzzerreißenden und lebensbejahenden Worte der Hauptgestalt in Sarah Halls How to Paint a Dead Man , die sich – zu lange – nur mit dem Tod befasst, schenkten mir Hoffnung und Zuversicht: »Die Welt kommt mit deiner Situation zurecht, so wie sie mit allen Situationen zurechtkommt. Und dein Körper wird dir auch weiterhin erklären, wie er funktioniert, dieses einzigartige Experiment, dieses lebenslange Geschenk. Er wird dir auch zukünftig darlegen, dass es, wenigstens für jetzt, kein Entrinnen aus diesem einen bestimmten Behältnis gibt. Dies sind deine Atome. Dies ist dein Bewusstsein. Dies sind deine Erfahrungen – deine Erfolge und deine Fehler. Dies ist deine erste und letzte Gelegenheit, deine eine und einzige Biografie. Dies ist das Gefäß, das deine Existenz birgt, die Schale deiner Lebenssuppe, worin ein Sinn zu finden ist, worin Heilung liegt, worin du enthalten bist.«
Die erste Wohnung, in der Jack und ich offiziell zusammen wohnten, war eine Zweizimmerwohnung im vierten Stock eines Mietshauses an der Upper East Side. Ein paar Monate, nachdem wir eingezogen waren, musste ich am Knie operiert werden (es war nicht nur die Schuld der vier Stockwerke). Nach der Operation lag ich fast drei Wochen im Bett und war an eine Maschine angeschlossen, die mein Knie ständig in Bewegung hielt. Ich konnte die Wohnung nicht verlassen, und wegen der Schmerzmittel hatte ich keinen Appetit und durfte keinen Alkohol trinken. Sex kam auch nicht infrage, weil die Kniemaschine ständig im Weg war. Aber ich konnte lesen. Tagein, tagaus war das meine Beschäftigung – ich las. Ich entdeckte Jim
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