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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Namen. Die Hardliner unter den Tschekisten regeln alles auf die harte Tour, und die Liberalen machen das auf die liberale Tour. Im Grunde ist das natürlich viel komplizierter, denn die Hardliner können auch liberal handeln – und umgekehrt.«
    »Sie erklären das so primitiv«, bemerkte T., »als wäre ich ein Schlosser.«
    »Weil Sie solche Fragen stellen. Kurzum, schikanieren können einen die einen wie die anderen. Die Liberalen schikanieren hauptsächlich die einfachen Menschen und die armen Leute. So wie die Wale Plankton fressen, das ist nicht persönlich gemeint. Und die Hardliner schikanieren hauptsächlich die Liberalen – sie machen einen fertig und zerlegen ihn dann genüsslich. Die Hardliner stehen also gewissermaßen weiter oben in der Nahrungskette. Andererseits könnten die Liberalen eine ganze Stadt schikanieren, ohne dass einer etwas davon mitkriegt. Wenn hingegen die Hardliner jemanden schikanieren, zetern alle Zeitungen darüber, deshalb haben sie im Großen und Ganzen die gleichen Bedingungen. Eine genaue Grenze gibt es im Grunde nicht. Haben Sie es jetzt begriffen?«
    »Nicht so ganz.«
    »So ganz begreife ich es auch nicht, also regen Sie sich nicht auf. Kurz gesagt, die Hardliner haben hin und her überlegt und dann beschlossen, Armen Wagitowitsch fertigzumachen. Und die Liberalen konnten ihm mit all ihrem Gezeter nicht helfen. Die Hardliner haben sogar ein Strafverfahren angezettelt, Armen Wagitowitsch hatte irgendwelche Offshore-Geschichten am Laufen. Ich will Sie nicht langweilen, er steckte jedenfalls so tief in der Klemme, dass es für ihn nur noch einen Weg gab – schnellstmöglich alles zu überschreiben und sich nach London abzusetzen, zu seinen Ersparnissen. Sonst hätte er die nämlich die nächsten zehn Jahre nicht wiedergesehen. Also hat er sein Geschäft gegen die Schulden eingetauscht. Das Baugeschäft, die Tankstellen und uns, alle Mann.«
    »Hat man viel für Sie gegeben?«
    »Wir zählten doch gar nicht. Wir wurden einfach im Paket mit verkauft. In der allgemeinen Bilanz tauchen wir überhaupt nicht auf. Tankstellen und ein Baugeschäft kann man noch verkaufen, obwohl in der heutigen Zeit auch das ein Problem ist. Aber unser Verlag – das sind faktisch drei Computer und ein Valuta-Kredit, den wir am Hals haben. Wer kauft denn so was? Aber die Tschetschenen wollen ihr Geld zurück, und zwar schnell, weil sie selbst total verschuldet sind. Also haben sie uns einen Krisenmanager ins Büro gesetzt.«
    »Einen was?«
    »Einen Krisenmanager. Süleyman. Ein Dschigit, 26 verstehst du, mit einem Master of Business Administration, dem man fünf Jahre lang beigebracht hat, an allen Ecken und Enden Kohle herauszupressen. Typ effiziente Führungskraft. Der hat sich angeguckt, wie hoch unser Projekt belastet ist, und dann hat er versucht herauszufinden, woran das liegt, wo diese astronomischen Zahlen herkommen. Na ja, wir haben ihm die Vorgeschichte erzählt und ihm erklärt, wie wir da wieder rauskommen wollten. Gleichzeitig haben wir ihm gesteckt, dass er ohne Makraudows Verbindungen an dieses Budget nicht rankommt – aber das hat er auch selbst kapiert, er ist ja nicht blöd. Also hat er Marktforscher zusammengetrommelt, und die haben die Verträge geprüft und überlegt, wie man den Kredit zurückzahlen kann. Verstehen Sie die Situation?«
    »Mehr oder weniger«, erwiderte T.
    »Die Marktforscher haben sofort erklärt, dass wir diesen Blödsinn mit Tolstoi, der seine Fehler bereut, keinem verkaufen können. Was sowieso alle von Anfang an wussten. Plötzlich sagt einer von denen: ›Meine Herren, wenn wir nun schon solche Schriftsteller angeheuert haben, warum sollen wir uns da noch mit dem Geschwätz über Reue und Buße abgeben? Machen wir doch einfach einen normalen Thriller mit Retrokrimi-Elementen und dann werfen wir das Ding für viel Kohle auf den Markt …‹ Also haben wir ein Brainstorming gemacht. Zuerst wollten wir Lew Tolstoi umbenennen in Leutnant Golizyn 27 . Aber in den Verträgen stand nun mal überall Lew Tolstoi. Für Golizyn hätte die Agentur wieder Geld verlangt. Also kam das nicht infrage. Dafür stellte sich heraus, dass wir ohne jede Zuzahlung den Namen in ›Graf T.‹ ändern konnten – im Rahmenvertrag stand er schon zweimal so abgekürzt, damit die Zeile nicht zu lang wurde, und deswegen zu prozessieren, wäre der Agentur zu blöd gewesen. Aber wie weiter? Die Handlung war im Vertrag nur vage umschrieben, es gab nur ein paar Worte über die Reise nach

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