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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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genommen und plötzlich dämmerte ihm, dass es product placement ist, wenn T. vor der Mutter Kirche bereut – in den Text eingebaute Reklame für das Christentum in einer multikonfessionellen kulturellen Umgebung. Kurzum, er hat sich seine Bartstoppeln gekratzt und befohlen, den Archimandriten Pantelejmon mal auf die Frage der Bezahlung anzusprechen. Der ist bei denen hier« – der Imperator berührte wieder seinen kreuzförmigen Orden – »für Public Relations zuständig. Sie sollten für die Rückkehr des verlorenen Sohnes bezahlen.«
    »Und weiter?«
    »Noch nichts weiter. Wir hatten uns vorgestellt, dass Sie bei der Ankunft in Optina Pustyn vor Vater Warsonofi auf die Knie fallen und Ihre Fehler eingestehen. Daraufhin sollte Warsonofi ein väterliches Wort an Sie richten, über die Seele, die Sie in den Schoß der Kirche zurückführt. Aber im Moment weiß keiner, wie es weitergeht. Wir warten noch.«
    »Auf wen?«
    »Auf die E-Mail.«
    »Was ist das denn?«
    »Das ist so eine Art Telegramm. Ob Pantelejmon bezahlt oder nicht.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann will Süleyman ihn unter Druck setzen. Er hat gesagt, wenn er nicht zahlen will, würden unsere Spezialisten für schwarze PR seinem Brand einen immensen metaphysischen und imagemäßigen Schaden auf fundamentalster Ebene zufügen. Können Sie sich vorstellen, was für Wörter er in London gelernt hat?«
    »Komisch sind diese Abreki«, 32 sagte T.
    Der Imperator breitete ratlos die Arme aus.
    »Byzanz«, sagte er in einem Tonfall, als würde dieses Wort alles erklären. »Aber es ist sowieso alles ziemlich merkwürdig. Theoretisch müssten die Hardliner die Variante mit der Kirchenbuße durchdrücken, die Armen Wagitowitsch vorhatte. Weil sie für Konservatismus, Vetternwirtschaft und Obskurantismus sind. Die Liberalen dagegen müssten mit Hilfe von Krisenmanagern Kohle herauspressen, weil sie nämlich für Offshore, für Spekulation und Profit und für die Weltregierung sind. Aber in der Praxis ist es genau umgekehrt. Wie war das bei Faust und Mephistopheles – ›Ich bin Teil von jener Kraft / Die stets das Göse will und stets das Bute schafft‹ … Ach, ich verhaspele mich schon. Na ja, Sie wissen schon, was ich meine.«
    Der Imperator sprach immer schleppender, als würde er einschlafen; gegen Ende des Satzes war sein Gesicht ganz starr, dann hielten auch die Hände inne und erstarrten mitten in einer kleinen Geste.
    »Wer soll diesen immensen metaphysischen Schaden anrichten?«, fragte T.
    Der Imperator öffnete mit Mühe ein Auge.
    »Na wer schon. Grischa kommt eindeutig nicht infrage, er ist nur fürs Handgreifliche zuständig. Mitjenka – na, Sie wissen ja. Piworylow hat seine Trips und Besäufnisse schon abgeliefert. Und unseren Metaphysiker kann man darauf auch nicht ansetzen.«
    »Wieso? Es ist doch ein metaphysischer Schaden.«
    »Der ist stocksauer. Er behauptet, laut Vertrag müsse er nur den Bewusstseinsstrom in Anführungszeichen und mystische Exkurse machen. Aber wir können doch nicht alles mit einem Bewusstseinsstrom regeln? Das geht nicht. Also bleibt es an mir hängen, ich muss den Schaden anrichten und das Image zerstören. Das passt mir natürlich gar nicht.«
    T. blickte den Imperator misstrauisch an.
    »Und werden Sie …«
    Der Imperator grinste schief.
    »Wir sind abhängige Leute. Wir tun, was man uns sagt, auch wenn das Thema schwierig ist. Süleyman hat immerhin versprochen, er werde einen Tschetschenen zu Hilfe schicken. Wenn nötig, sagt er, gibt es bei uns Intellektuelle, wie sie in Moskau noch keiner gesehen hat. Ich bin ja mal gespannt.«
    »Das wird ja ein irres Buch«, sagte T. »Fängt gut an und hört schlimm auf.«
    »So ist das Leben heutzutage«, versetzte der Imperator. »Ich habe es mir nicht ausgedacht.«
    »Und was wird jetzt?«
    »Das sehen wir morgen. Wir machen es so: Wenn Pantelejmon die E-Mail schickt, schlage ich die Glocke dreimal. Und dann handeln wir den Umständen entsprechend, ich glaube, Sie merken schon selbst, was nötig ist.«
    Ariels Gesicht verwandelte sich wieder in eine stupsnasige Maske. Wie mit großer Überwindung richteten sich seine kalten, verblichenen Augen ein letztes Mal auf T.
    »Es ist Zeit, Abschied zu nehmen, Graf«, sagte der Mund mit hochgezogener Oberlippe. »Wir müssen uns beide ausruhen. Morgen ist ein schwerer Tag. Haben Sie noch Fragen?«
    »Ja«, sagte T. »Hat Ihr Großvater Ihnen nicht vielleicht erklärt, wozu Gott die Welt so braucht, wie sie ist? Mit all diesen

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