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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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benötigt ganz spezifische Gedanken. Da braucht es metaphysische Überlegungen, mystische Einsicht und dergleichen mehr. Nur deshalb haben wir ihn überhaupt genommen. Aber im Grunde ist er schizophren, das sage ich Ihnen. Sie müssten ihn mal sehen, wenn er Rezensionen über sich liest. Dann raschelt er in der Ecke mit der Zeitung und murmelt: ›Wie? Die Wunderlampe ist erloschen? Warum hast du denn fünf Jahre lang dagegengepisst, fuck? Na los, sag schon!‹ Die ganze Metaphysik also. Sie sind sein Schwanengesang, Graf, weil er nirgendwo mehr so viel Platz haben wird.«
    »Und woran erkenne ich ihn, diesen Quintessenten?«
    »Zum Beispiel wenn Sie mitten im Schlachtgetümmel plötzlich über den Sinn dieser Schlacht nachdenken, dann ist er das.«
    »Wenn Sie im Schlachtgetümmel über den Sinn der Schlacht nachdenken«, murmelte T., »dann ist der ganze Sinn der, dass man Sie totschlägt.«
    »So ungefähr reden unsere Marktforscher auch«, schmunzelte Ariel.
    »Und warum bin ich T.?«
    »Das haben auch die Marktforscher beschlossen. Tolstoi – den kennt jeder aus der Schule. Wenn man das Wort nur hört, hat man sofort einen imposanten alten Mann vor Augen, in einem Arbeitskittel, die Hände unter den Gürtel geschoben. So einer springt nicht von der Brücke. Aber T. – das ist geheimnisvoll, das ist sexy und romantisch. Genau das Richtige heutzutage.«
    »Und warum ausgerechnet ein Graf? Ist das wichtig?«
    »Sehr sogar«, erwiderte Ariel. »Die Marktforscher behaupten, das Publikum interessiere sich heute nur noch für den Grafen Tolstoi und nicht für Tolstoi selbst. Seine Ideen kümmerten heutzutage niemanden mehr und seine Bücher verkauften sich nur noch deshalb, weil er ein echter Aristokrat war und sein Leben lang in Saus und Braus gelebt hat. Wenn die Leute Anna Karenina oder Krieg und Frieden heute noch lesen, dann angeblich deshalb, weil sie erfahren wollen, wie die wohlhabenden Herrschaften in Russland gelebt haben, als es die Rubljowka 24 noch nicht gab. Und das wollen sie aus erster Grafenhand erfahren.«
    »Was ist denn Optina Pustyn?«
    »Das müssen Sie selbst herausfinden. Sonst ist ja die ganze Spannung weg.«
    T. und der Imperator schwiegen eine Weile. Dann sagte T.:
    »Trotzdem verstehe ich es nicht. Ich verstehe es einfach nicht. Sie haben offenbar nichts als Probleme mit Lew Tolstoi – nicht mal seinen Familiennamen können Sie verwenden. Sie brauchen nur den Grafentitel. Warum haben Sie ihn denn überhaupt eingespannt?«
    »Als wir anfingen, waren die Zeiten noch anders«, erwiderte Ariel. »Wir hatten ganz andere Absichten. Wir haben Sie nicht zu kommerziellen Zwecken erschaffen, sondern es stand ein großes, bedeutendes Vorhaben dahinter. Ein rein ideelles Vorhaben.«
    »Sie machen sich lustig«, lächelte T., »aber manchmal habe ich tatsächlich auch so ein Gefühl.«
    »Ich mache mich nicht lustig«, widersprach Ariel. »Ganz und gar nicht.«
    »Was war das für ein Vorhaben?«
    Der Imperator spitzte die Lippen und glitt mit den Fingern behutsam über das weiße Email des Kreuzes auf seiner Brust.
    »Graf Tolstoi«, sagte er, »wurde seinerzeit aus der Kirche ausgeschlossen.«
    »Das habe ich von Knopf gehört. Aber weshalb?«
    »Wegen Hoffart. Er hat der Kirchenobrigkeit widersprochen. Er glaubte nicht, dass sich Messwein in Christi Blut verwandelt. Hat sich über die Sakramente lustig gemacht. Und vor seinem Tod ist er nach Optina Pustyn aufgebrochen, dort aber nicht angekommen – er ist unterwegs gestorben. Deshalb gibt es auf seinem Grab weder Kreuz noch Grabstein. Tolstoi hatte befohlen, seinen Körper einfach in der Erde zu vergraben, damit er nicht stinkt. Für Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hatte das vielleicht sogar Stil. Im einundzwanzigsten Jahrhundert aber kam es zu einer geistigen Renaissance, und deshalb reifte bei den Instanzen«, der Imperator deutete mit der Nase nach oben, »die Meinung heran, dass ein Kreuz trotzdem nötig sei. Und unser Chef hat ein feines Ohr für solche Tendenzen.«
    »Welcher Chef?«, fragte T.
    »Der Chef des Handels- und Verlagshauses Jasnaja Poljana.«
    »Eine interessante Bezeichnung.«
    »Aha, haben Sie es bemerkt? Genau darum geht es nämlich. Er hat angeordnet, wir sollten uns ein bisschen sputen und ein einfühlsames Buch darüber schreiben, wie Graf Tolstoi nach Optina Pustyn kommt und sich vor seinem Tod mit der Mutter Kirche versöhnt, und das alles unterlegt mit schönen Bildern aus dem Leben des Volkes. So eine Art

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