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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Optina Pustyn, die Exkommunikation und den gewaltlosen Widerstand gegen das Böse. Über eine Rückzahlung des Vorschusses hingegen hieß es ganz konkret, diese werde fällig, wenn man das Skript abgelehnt habe … Also erklärte man den Autoren, die Hauptfigur ist nun ›Graf T.‹, er ist kein Schriftsteller, sondern ein einsamer Held und Kampfkunstmeister, und er soll um die dreißig Jahre alt sein, weil sich für einen alten Mann als Hauptfigur kein Mensch interessiert. Er soll sich nach Optina Pustyn durchschlagen, mit allerlei Abenteuern und Schießereien. Außerdem soll es erotische Szenen und kluge Gespräche geben und man muss berücksichtigen, dass auf dem Markt ein verliebter byronscher Held gefragt ist.«
    »Was heißt das?«
    »Ein Held wie bei Byron eben … Wie Kain und Manfred. Ein erschöpfter Dämon mit einem Gehalt von hunderttausend Dollar im Jahr.«
    »Und wenn er weniger verdienen würde?«
    Ariel grinste. »Ohne Geld kein Byronismus. Sonst ist das bloß Angeberei. Geld ist dabei aber noch nicht alles. Byronismus … Das ist, sagen wir mal, das, was Sie sexuell anziehend macht für eine Leserin, die sich mit der Fürstin Tarakanowa identifiziert.«
    »Hat Mitjenka sich diese Fürstin ausgedacht?«
    »Wer sonst?«, antwortete Ariel. »Die erste erotische Episode war direkt auf dem Schiff geplant. Aber Grischa Ownjuk hat sie früher umgelegt, als Mitjenka die Rolle für Sie umschreiben konnte. Es gab einen Riesenkrach deswegen. Mitjenka hat Grischa angebrüllt: Was machst du denn da, du Henker? Ich warte drei Tage, bis Arik die Handlungslinie fertig hat, und du legst die Schlampe sofort um. Und Grischa sagt: Ich kann doch nicht wegen jeder Mücke meine Inspiration bremsen. Für mich ist euer Projekt sowieso nebensächlich. Wenn ihr das nicht wollt, dann bin ich eben weg, guckt euch den Vertrag mal genau an.«
    »Und Axinja hat auch Mitjenka sich ausgedacht?«
    Ariel nickte.
    »Die haben wir vorläufig behalten.«
    »Eins sage ich Ihnen, dieser Mitjenka ist ein Schwachkopf.«
    »Hören Sie auf, Graf. Er ist ein sehr fähiger Bursche, auch wenn ich ihn nicht leiden kann. Er kann den eisigen Hauch der Krise vermitteln wie niemand sonst. In seiner letzten Kolumne schreibt er zum Beispiel: ›Die Türme von Moskau City, 28 die ebenso kühn und hoffnungslos in die Höhe schossen wie die Preise für den abgestandenen Fraß im Café Vogue 29 …‹ Scharf, was? Oder das hier: ›Die glamourösen Fernsehnutten, Mätressen von großen Ganoven und eiskalten Killern, die ihre rasierten Venushügel mit dem goldenen Geschmeide der Wohltätigkeit verzieren – was sind sie anderes als eine Projektion der Großen Hure auf die ärmliche nördliche Region, der Purpurstrahl eines infernalischen Sonnenuntergangs in dem von Kaliumchlorid zerfressenen Schnee von Samoskworetschje 30 ?‹«
    »Es reicht mit den Zitaten«, sagte T. »Erklären Sie mir besser die allgemeine Linie. Wie entwickelt sich die Handlung?«
    »Folgendermaßen«, erläuterte Ariel. »Graf T. schlägt sich, untermalt von jeder Menge Action, nach Optina Pustyn durch und am Schluss, als er es findet, sieht er von einem Hügel aus ein Kreuz in der Ferne, bekreuzigt sich und erkennt, dass er gegenüber der Kirchenobrigkeit im Unrecht war. Dann gibt es ein Gespräch mit Vater Warsonofi, 31 dann kommt die Katharsis und daraufhin gesteht er seine Fehler vor der Mutter Kirche offen ein. Wir haben beschlossen, diese Linie drinzulassen. Bei der jetzigen Situation im Land kann es nicht schaden, den Popen einmal mehr in den Hintern zu kriechen. Die Marktforscher waren einverstanden, bloß sagten sie, T. solle nicht wegen der Sakramente und der Dreieinigkeit Reue zeigen, sondern wegen der Dummheiten, die er unterwegs angestellt hat, sonst werde der Durchschnittsleser das nicht begreifen. Damit hätten wir eine reale Chance, genug Kohle zu machen, um den Kredit zurückzuzahlen und sogar einen kleinen Überschuss zu erzielen. Als wir den Autoren die neue Konzeption unterbreiteten, waren die Meinungen geteilt. Mitja und Goscha haben gespuckt, aber Ownjuk gefiel es auf Anhieb. Er sagt, den ›Booker‹ werden wir dafür nicht bekommen, aber scheiß drauf, so schlagen wir im ersten Monat fünfmal mehr Kohle raus. Also haben wir losgelegt, und wie es weiterging, wissen Sie ja …«
    »Allerdings«, versetzte T.
    »Bis gestern lief eigentlich alles ganz gut. Aber dann hat dieser Süleyman, hol ihn der Kuckuck, den Businessplan noch einmal ganz genau unter die Lupe

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