Tolstois Albtraum - Roman
Nächste?«
»Nummer drei ist Grischa Ownjuk«, antwortete Ariel. »Wenn Sie sich Ihre Schusswechsel mit Knopf liefern, wenn Sie in der Fallschirm-Kutte von der Brücke in den Fluss springen oder wenn Sie sich mit den Amazonas-Mördern herumzanken, ist er das. Grischa ist ein Genie, nur dass Sie es wissen!«
»Ein Genie?«
»Ja. Ein Topkader, unser wichtigstes Kapital. Ein Fachmann mit breitem Profil, Actionspezialist, ein Könner von Weltrang. Er hat nur einen gravierenden Nachteil – er ist überall und dauernd gefragt. Deshalb ist er die ganze Zeit beschäftigt und arbeitet bei uns nur noch schlampig.«
»Wer noch?«
»Dann gibt es noch enge Spezialisten. Goscha Piworylow. Nummer vier.«
»Und was macht der?«
»Er ist ein Junkie. Oder ein creator von psychedelischem Content, wie es auf der Lohnliste heißt. Wir haben ihn der Abwechslung halber genommen, die Marktforscher sagen, ein Trip pro hundert Seiten kann nicht schaden. Er ist auf seine Art auch ein Star. Oder vielmehr ein Sternchen – nicht so wie Ownjuk, aber arbeitslos wird auch er nicht. Er liefert für den ganzen Glamour und Anti-Glamour Beschreibungen von Trips mit weichen Drogen. Wenn nötig, auch mit harten. Kurzum, er ist zuständig für die Veränderung des Bewusstseinszustands, darunter auch für alkoholische Intoxikation. Zum Beispiel wenn Sie ein Gläschen Wodka trinken und dann nur noch leben und lachen und ununterbrochen in den Himmel blicken wollen. Den Trip mit dem Pferd hat auch er gemacht.«
»Verzeihung, bitte was?«
»Na den Trip, als das Pferd mit Ihnen gesprochen hat. Zu Ihrer Zeit gab es noch kein LSD , deshalb mussten wir Ihnen Mutterkorn geben. Goscha sagt, Mutterkorn habe irgendwas mit Lysergsäure zu tun.«
»Ach so, das kam vom Mutterkorn.« T. verzog das Gesicht. »Deshalb also … Ich bin fast verrückt geworden. Aber warum wollte er mich zum Skopzentum verleiten, Ihr Goscha?«
»Das war nicht Goscha«, sagte Ariel. »Wenn er das gewesen wäre, dann säßen Sie hier mit einem Nagel im Loch. Ich habe Ihnen doch erklärt, dass Mitjenka für die Erotik zuständig ist.«
»Wo bitte ist denn da die Erotik, wenn ein Pferd einem empfiehlt, ein Beil zu nehmen und sich die Weichteile abzuhacken?«
»Erotik ist alles, was mit den Genitalien zu tun hat«, erwiderte Ariel. »So lautet die allgemeine Weisung bei uns. Nach einem Joint hackt Piworylow Ihnen alles Mögliche ab, da kennt der gar nichts. Aber Mitjenka würde Ihnen bestimmt nichts abhacken, das ist doch sein Kapital. Wie sollte er denn dann seine erotischen Szenen hinbekommen?«
»Stimmt«, sagte T. »Gut überlegt.«
»Das sieht nur so aus. In Wirklichkeit gibt es dauernd Unstimmigkeiten und Fehler.«
T. bewegte die Lippen und zählte an den Fingern ab. Dann sagte er:
»Moment mal. Sie haben doch gesagt, es sind fünf Elemente. Der erste sind Sie. Dann Mitjenka. Der dritte ist Grischa Ownjuk. Der vierte Goscha Piworylow. Und wer ist der fünfte?«
Ariels Gesicht verwandelte sich wieder in die Maske des Imperators. Offensichtlich war ihm diese Frage unangenehm.
»An den will ich nicht einmal denken. Aus persönlichen Gründen – ich habe eine Auseinandersetzung mit ihm. Aber ja, es gibt noch einen Autor, der Ihre inneren Monologe schreibt. Der sozusagen einen Bewusstseinsstrom in Anführungszeichen erschafft. Ein Metaphysiker des Absoluten. Ich mache natürlich Spaß. Von denen gibt es in Moskau so viele wie ungebumste Kakerlaken, wenn Sie den Ausdruck verzeihen. In jeder Chruschtschowka 23 gibt es bestimmt ein paar.«
»Und warum haben Sie eine Auseinandersetzung?«
»Er pöbelt mich immer an, wenn ich sein Produkt korrigiere. Ich habe jetzt ganz aufgehört, seine Sachen zu lesen, ich sortiere sie bei der letzten Korrektur aus. Das meiste fliegt raus. Wenn es vom Sujet her nötig ist, schreibe ich selbst die richtigen Gedanken für Sie dazu, das ist sicherer.«
»Und wieso gefällt Ihnen sein Produkt nicht?«
»Ach, er kommt dauernd vom Thema ab. Will sich nicht an das Sujet halten. Und ist ganz schön eingebildet. ›Ich bin nicht bloß euer fünfter Mann‹, sagt er, ›ich bin die fünfte Essenz – Quintessenz heißt das auf Lateinisch. Der ganze Sinn liegt in mir, und Ihr seid bloß der Rahmen …‹ Aber der Leser bemerkt die Quintessenz gar nicht. Was interessiert den normalen Leser? Die Handlung und wie es ausgeht.«
»Wozu braucht man ihn denn überhaupt?«
»Dem ursprünglichen Plan nach wäre es ohne ihn unmöglich gewesen. Ein Held wie Sie
Weitere Kostenlose Bücher