Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
so mehr, als ich's denk'.« – »Meine gute Nore,« sagte Sophie, »es steht nicht in Ihrer Macht, mir Hilfe zu leisten. Ich bin ohn' alle Gnade verloren.« – »Behüt' und bewahre!« antwortete die Zofe, »wenn ich aber nur 'n bißchen worin dienen kann, o! so sag'n Sies lieber, 'r Gnaden, 's wird m'r en Trost sein, zu wissen; bitte, bitte! liebe Frölen, sag'n Sie m'r doch, was ist's?« »Mein Vater,« sagte Sophie, »steht im Begriff, mich an einen Mann zu verheiraten, den ich verachte und hasse.« »O teuerste, gnäd'ge Frölen,« versetzte die andere, »was vor'n gottloser Mensch ist das? Denn, mein'r Ehr', 's muß 'en rechter Thunichtgut sein, sonsten würden 'r Gnaden ihn ja nicht verachten.« – »Sein Name ist Gift für meine Zunge!« erwiderte Sophie. »Sie wird ihn noch zu früh erfahren, Nore.« – Wirklich wußte sie ihn schon, die reine Wahrheit zu gestehen; und deswegen war sie über diesen Punkt nicht andringlicher. Sie fuhr also folgendergestalt fort: »Ich maße mich nicht an, 'r Gnaden Rat zu geben, derweil 'r Gnaden viel mehr verstehen, als ich m'r einbilden darf, weil ich nur 'n Kammerjungfer bin. Aberst, so wahr ich ehrlich bin! Kein Vater im ganzen Reich sollte mich wider mein'n Will'n verheiraten. Und, das ist wahr! unser gnäd'ge Herr sind so gut, daß si's nur wissen dürften, daß 'r Gnaden den jungen Menschen verachten und hassen, so würden s'e nicht drauf stehn, daß 'r Gnaden ihn doch nehmen sollten; um wenn 'r Gnaden m'r nur Verlaubnis geben wollten, daß ichs dem gnäd'gen Herrn sagen dürfte – ja, nu freilich! wär's wohl besser, wenn von 'r Gnaden eignem Munde käme; aberst, weil 'r Gnaden den häßlichen Namen nicht über die Zunge nehmen mögen –« – »Sie irrt sich, gute Nore,« sagte Sophie, »mein Vater hatte es schon beschlossen, noch ehe er jemals für dienlich erachtet hat, mir das Geringste davon zu sagen.« – »Desto schlimmere Schande für ihn,« schrie Honoria. »'R Gnaden sollen mit dem Manne zu Bette gehen, und nicht unser gnäd'ge Herr. Und ob schon's en Mann, ein ganz guter Mann sein kann, so kann's doch mit recht guten Dingen zugehen, wenn er nicht allen Frauenzimmern gleichgut gefällt. Meine Ehr wett' ich, gnäd'ger Herr würden nich so thun, als sie thun, aus eigenem Kopfe; wenn nur gewisse Leute für ihr'r eigenen Thür fegen wollten und nicht den Löffel in all'n Brei steckten! 'ch wollte meinen, s'e würden mächt'ge krause Nasen machen, wenn man ihn'n bei ähnlichen Dingen ebenso mitspielte: denn, ob 'ch wohl keine gnädige Frölen bin, so glaube ich doch leicht, daß alle Mannsbilder nicht gleich lieb sein können: und worum hätten denn 'r Gnaden soviel Schätze und Reichtümer, wenn Sie nicht den Mann freien können, den 'r Gnaden für 'n allerschönsten halten? Gut! 'ch sage nichts! aber Sünd' un Schad' ists, daß gewisse [258] Leute nicht besser von Stand un Geburt sind. Doch, dem Ding viel Guts! würd' ich sagen, und würd' mich selbst darüber keen grau' Haar wachsen lassen! Ja, nu! aber'st da ist auch nicht so en Haufen Geld! Je nu! was thut's denn; 'r Gnaden haben Gelds die Fülle für alle beide; und wor kann 'r Gnaden Vermögen besser angelegt werden? Denn, das ist wahr, das muß man gestehen! 's ist der schönste, scharmantste, feinste, längste, vortrefflichste, properste Mann auf's lieben Gott's Erdboden.« – »Was meint Sie damit, daß Sie mir dergleichen Dinge vorschwatzt, Jungfer Honoria?« unterbrach sie endlich Sophie mit einer sehr ernsthaften Miene. »Wie kömmt Sie dazu, sich solche Freiheiten bei mir herauszunehmen? was gibt Ihr die Erlaubniß?« – »Ja so 'r Gnaden, bitt' ich demütigst um Verzeihung!« antwortete die Zofe. »Aber'st, ich meint's nicht böse, und mein'r Ehr! der arme junge Herr hat mir beständig im Kopfe herumgelaufen, seitdem ich'n diesen Morgen sah – gewiß und wahr! hätten 'r Gnaden ihn nur jetzund eben gesehen, Sie müßten Mitleid mit ihm gehabt hab'n. Der arme Herr! ich wünschte, wenn ihn nur keen Unglück begegnet ist: denn er ging Ihn'n da herum, und hatte die Arme über'nander geschlagen, und sah den ganzen Morgen so melancholisch aus! Ja, ich g'lobe und schwöre, ich hätte bald geweint als ich 'n sah« – »Sah! wen sah?« sprach Sophie. – »Den armen Herrn Tom Jones,« antwortete Honoria. – – »Gesehen! ihn! wie? wo sah Sie ihn?« rief Sophie. – »Im Garten beim Kanal, 'r Gnaden,« sagte die Jungfer. »Darhat' er den ganzen langen Vormittag herumspazieren gegangen, und
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