Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
zuletzt hat er sich dar auf Gott's Erdboden gelegt; und 'ch glaube er liegt dar noch. Ja nun! wenn 'ch nicht zu bescheiden gewest wär', weil ich 'ne Jungfer bin, so wär' ich zu 'n gangen und hätt' mit 'n gesprochen. Hör'n 'r Gnaden! laß'n mich noch gehn und zusehn, bloß vor Spaß, ob er noch dar ist.« – »Puh,« sagte Sophie, »da! nein, nein! was sollt' er da machen? Er ist gewiß schon längst weggegangen. Ueberdem, wie – was – warum wollte Sie gehn und zusehn? – Ueberdem hab' ich sonst etwas für Sie zu thun. Geh' Sie, und hol' Sie meinen Hut und meine Handschuhe. Ich muß vor Tische noch mit Tante ins Wäldchen gehen.« Die Jungfer that alsobald wie ihr befohlen war, und Sophie befestigte ihren Hut auf dem Kopfe. Als sie in den Spiegel sah, deuchte sie, das Band um den Hut stände nicht gut; und so schickte sie die Jungfer wieder fort, um eins von anderer Farbe zu holen: und, nachdem sie der Jungfer Honoria verschiedentlich eingeprägt hatte, sie solle ja nicht von ihrer Arbeit gehn, weil es damit gar große Eile habe und sie noch heute damit fertig werden müßte, murmelte sie noch für sich verschiedenes [259] vom Spazierengehn nach dem Wäldchen, und ging dann fort, und nahm einen ganz verschiedenen Weg mit so eiligen Schritten, als ihre zarten, zitternden Glieder sie tragen konnten, grades Weges hin nach dem Kanal.
Jones war da gewesen, wie ihr Jungfer Honoria erzählt hatte. Er hatte daselbst wirklich diesen Morgen in melancholischen Gedanken an seine Sophie zwei Stunden zugebracht, und war eben zu einer Thüre des Gartens hinausgegangen, als sie durch eine andere hereintrat. So, daß die unglücklichen Minuten, welche auf die Verwechselung des Bandes verwendet worden, die Liebenden verhindert hatten, nicht zu dieser Zeit einander anzutreffen. Ein höchst trauriger Zufall, aus welchem meine schönen Leserinnen nicht ermangeln werden, eine sehr heilsame Lehre zu ziehen. Und hier verbiete ich auf's strengste allen Kunstrichtern vom Männergeschlecht, das Geringste über einen Umstand zu sagen, welchen ich bloß den Damen zu Gefallen erzählt habe, und worüber es nur diesen frei steht, ihre Anmerkungen zu machen.
Siebentes Kapitel.
Gemälde von einer förmlichen Brautwerbung,
en Miniature,
wie solche Gemälde immer gemacht werden sollten, und eine Szene von zärtlicherer Gattung, gemalt in Lebensgröße.
Es hat einer (und vielleicht mehrere) sehr richtig angemerkt, daß selten ein Unglück allein kommt. Diese weise Maxime ward jetzt von Sophien bewährt befunden, welche sich nicht nur in der Hoffnung, den Mann zu sehen, den sie liebte, getäuscht fand, sondern auch noch den Verdruß hatte, daß sie sich ankleiden und herausputzen mußte, um von dem Manne, den sie haßte, einen Besuch anzunehmen. Diesen Nachmittag eröffnete Herr Western seiner Tochter zum erstenmale seine Willensmeinung, indem er sagte: er wüßte recht gut, daß sie es schon von ihrer Tante erfahren hätte. Sophie machte hierzu eine sehr ernsthafte Miene, und konnte einem Paar Thränen nicht wehren, die sich in ihre Augen drängten. »Komm! komm! weg mit deinem Jungferngeziere! Weiß all's, glaub' mir's, weiß alles, d'e Schwester hat mir alles gesagt.«
»Ist es möglich,« sagte Sophie, »daß meine Tante mich bereits verraten haben kann?« – »Wieso?« sagte Western, »verraten! dich! hm! hast dich gestern mittag bei Tisch nicht selbst verraten? mir dünkt, d' hätt'st deinen Herzenswunsch deutlich genug sehen [260] lassen. Aber so ist's, ihr jungen Dinger wißt niemals, was ihr recht wollt. So! weißt wohl nich, daß ich dich mit dem Manne verheiraten will, in den du verliebt bist! dein' Mutter selige, 'ch erinner' mich's noch, zimperte und flensete auf eben die Manier. Aber, kaum vierundzwanzig Stunden währt's, als wir getraut waren, da war all's über, all's über. Blifil ist 'n junger, frischer Kerl, der wird dir das Geziere bald abgewöhnen. Komm, freundlich! bis freundlich! er muß all' Augenblick kommen.«
Sophie war nunmehr überzeugt, daß ihre Tante ihr redlich Wort gehalten habe; und sie beschloß diesen unangenehmen Nachmittag so standhaft als möglich auszuhalten, um ihrem Vater nicht den geringsten Verdacht zu erwecken.
Bald darauf langte Herr Blifil an. Nach einer kleinen Weile begab sich Herr Western hinweg und ließ das junge Paar allein.
Hier erfolgte ein Stillschweigen, das beinahe eine Viertelstunde dauerte; denn der Herr Bräutigam, der doch die Konversation beginnen sollte, besaß alle
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