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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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jene unanständige Bescheidenheit, welche in der Blödigkeit besteht. Er strengte sich oft an, zu sprechen; und ebenso oft verschluckte er seine Worte wieder, wenn er sie eben bis zur Spitze der Zunge gebracht hatte. Endlich brachen sie hervor in einem Strome von weit hergesuchten und hochtrabenden Komplimenten; auf welche von der andern Seite mit niedergeschlagenen Blicken, halben Knixen und einsilbigen Tönen geantwortet wurde. Blifil war im Umgange mit den Frauenzimmern so unerfahren und hatte eine so gute Meinung von sich selbst, daß er dieses Betragen für eine bescheidene Einwilligung in seinen Liebesantrag aufnahm, und als Sophie, um einen Auftritt zu verkürzen, den sie nicht länger aushalten konnte, aufstand und das Zimmer verließ, so setzte er auch das auf Rechnung ihrer schüchternen Blödigkeit, und tröstete sich damit, daß er ihre Gesellschaft bald oft und satt genug haben würde.
    Er war wirklich mit dem guten Gange seines Liebesgeschäftes vollkommen wohl zufrieden: denn was den gänzlichen und völligen Besitz des Herzens seiner Geliebten anlangte, welchen romantische Liebhaber zu begehren pflegen, so war ihm daran noch nicht der mindeste Gedanke in den Kopf gekommen. Ihr Vermögen und ihre Person waren die einzigen Gegenstände seiner Wünsche, zu deren Besitz er, wie er nicht zweifelte, gar bald gelangen würde; weil Herrn Westerns Sinn so ernsthaft auf dieses Familienpaktum gestellt war, und weil er den strengen Gehorsam wohl kannte, welchen Sophie dem Willen ihres Vaters in allen Dingen zu leisten gewohnt war, und den noch weit strengern, welchen der Vater erzwingen würde, wenn Not an Mann gehen sollte. Dieses väterliche [261] Ansehen also, zusammengenommen mit den Reizungen, die, nach seiner Einbildung, sich in seiner Person und seinem Umgange befänden, könnten nach seiner Meinung nicht fehlen, den Willen des Fräuleins zu lenken, deren Neigung, wie er nicht zweifelte, noch völlig frei wäre.
    Auf Jones war er ganz und gar nicht eifersüchtig; und ich habe es oft für wunderseltsam gehalten, daß er es nicht war. Vielleicht bildete er sich ein, daß der Ruf, in welchem Jones in der ganzen Nachbarschaft umher stand (mit welchem Recht oder Unrecht, mag der Leser entscheiden), daß er einer der wildesten Burschen im ganzen Reiche sei, ihn bei einem so außerordentlich modesten Frauenzimmer verhaßt machen könne. Vielleicht auch, daß Sophiens und Jones' Betragen, wenn sie alle beisammen in Gesellschaft waren, ihn in Schlaf gewiegt hatte. Endlich, und eigentlich hauptsächlich, war er sicher überzeugt, daß ihm keine andere Ichheit im Wege stand. Nach seiner Einbildung kannte er unsern Jones durch und durch bis auf den Grund, und hatte wirklich eine große Verachtung für seinen Verstand, weil er so wenig auf seinen eigenen Nutzen bedacht war. Er besorgte nicht, daß Jones in Sophien verliebt wäre, und, was die übrigen kleinen Finanzgründe bei einer solchen Sache beträfe, meinte er, solche würden auf einen so einfältigen Gauch wenig wirken. Ueberdem, dachte der kluge Blifil, wäre die Bekanntschaft mit Molly Seegrim noch im vorigen Gange, und meinte wirklich, dieser Gang würde das Paar zum Traualtar führen: denn Jones liebte ihn wirklich von Kindesbeinen an, und hatte für ihn kein Geheimnis gehabt, bis sein Betragen während der Krankheit des Herrn Alwerth sein Herz völlig von ihm abgezogen hatte. Und diese Mißhelligkeit welche damals entstanden und noch nicht so völlig wieder ausgesöhnt war, machte, daß Blifil nichts von der Veränderung erfahren hatte, die mit dem Liebeshandel zwischen Molly und Jones vorgegangen war.
    Aus diesen Ursachen sah Herr Blifil also kein Hindernis, das seinem Glücke bei Sophien im Wege stände. Er machte in seinem frommen Sinne den Schluß, ihr Benehmen sei so, wie aller jungen Bräute beim ersten Besuche des Bräutigams; und im Grunde hatte er nicht das Mindeste weiter erwartet, als was er fand.
    Herr Western trug Sorge, dem Bräutigam den Weg zu verrennen, als er von seiner Geliebten heimgehen wollte. Er fand ihn so entzückt über sein Glück, so verliebt in seine Tochter, und so zufrieden über die Art wie sie ihn aufgenommen hätte, daß der alte Herr anfing, auf seine eigene Hand in seinem Vorsaale herumzuspringen und zu tanzen, und durch allerlei andre Handlungen und Gebärden das Uebermaß seiner Freude an den Tag zu legen; [262] denn er hatte nicht die geringste Macht über seine Gemütsbewegungen, und diejenige, welche eben in seinem

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