Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
nu möchtste gern mir's Wasser in d' Schuh gießen. Und so, als ob's ich gethan hätt', wenn sie ihr' Güter aus'r Familie vermacht. – Konnt's ja wohl vorhersehn, daß mir's so gehen würd'! Das wird wohl so all dein Dank sein, vor mein' schöne Lieb' und Zärtlichkeit, die 'ch vor dich g'habt hab'!«
»Ich bitte also« rief Sophie, »auf meinen Knieen bitte ich Sie, wenn ich die unglückliche Veranlassung zu dieser Veruneinigung gewesen bin, daß Sie suchen wollen, es bei meiner Tante wieder gutzumachen und nicht zu leiden, daß sie in diesem heftigen Zorn Ihr Haus verlasse. Sie hat ein sehr versöhnliches Gemüt und wird sich durch ein paar höfliche Worte besänftigen lassen. O, ich bitte, bitte, liebster Papa.«
»So! so soll ich hingehen und um Vergebung bitten, was du g'sündigt hast, nicht? muß ich?« antwortete Western, »du hast den Hasen abspring'n lass'n, und ich muß nu in Kreuz und Quer reiten, um 'n wieder vorzubringen. Je nun, ja! wenn ich gewiß wüßt« – – Hier stockte er, und da Sophie mit ihrem Bitten fortfuhr, ließ er sich endlich bereden; und nachdem er erst zwei oder drei stachelige Redensarten gegen seine Tochter ausgestoßen hatte, wackelte er so schnell fort als er konnte, um seine Schwester herumzubringen, eh' noch ihre Pferd' und Wagen fertig gemacht werden könnten.
[308] Sophie begab sich hierauf nach ihrem Trauergemache, woselbst sie (wenn ich den Ausdruck brauchen darf) sich mit dem ganzen Ueberflusse ihres zärtlichen Grames gütlich that. Sie las den Brief, den sie von Jones erhalten hatte, mehr als einmal wieder durch; auch ihr Muff ward bei der Gelegenheit gebraucht; und sie badete diese beide sowohl, wie sich selbst in ihren Thränen. In dieser Lage ihres Herzens wendete die freundschaftliche Jungfer Honoria ihre äußerste Geschicklichkeit an, um ihre betrübte Herrschaft zu trösten. Sie nannte hintereinander die Namen mancher jungen Herren her; und nachdem sie ihre Personen und Geistesgaben weidlich herausgestrichen hatte, versicherte sie Sophien, sie könne dreist darunter wählen, welchen sie wolle. Diese Methode muß gewiß schon mit gutem Erfolge bei Krankheiten von dieser Art angewendet worden sein, sonst würde ein so geschickter Arzt, als Jungfer Honoria, gewiß nicht gewagt haben, damit den ersten Versuch zu machen; ja, ich habe gehört, daß das Kollegium der Kammerjungfern dieses Remedium für so zuverlässig und allgemein halte, als nur irgend eines unter allen weiblichen Verschreibungen zu finden sei. Allein, ob Sophiens Krankheit innerlich von jenen Fällen verschieden war, mit welchen sie die äußerlichen Anzeichen gemein hatte, das kann ich hier nicht ausmachen; in der That aber machte es die gute Kammerzofe dadurch eher schlimmer als gut, und brachte endlich ihre Herrschaft in eine solche Hitze (und das war keine so leichte Sache), daß sie die Schnürjungfer mit zorniger Stimme aus ihrer Gegenwart entfernte.
Ende des ersten Bandes.
[309]
[310] [5]
Siebentes Buch.
Fortsetzung.
Sechstes Kapitel.
Enthält eine große Manigfaltigkeit von Materien.
Der Junker holte seine Schwester ein, als sie eben in ihre Kutsche steigen wollte, und brachte sie teils mit Gewalt, teils mit guten Worten dahin, daß sie befahl, wieder auszuspannen und die Pferde wieder in den Stall zu ziehen. Das Unternehmen glückte ihm ohne sonderliche Schwierigkeit; denn, wie wir bereits zu verstehen gegeben: die Dame war von sehr friedfertiger Gemütsart und hatte ihren Bruder sehr lieb, ob sie gleich seinen Verstand, oder vielmehr seine wenige Weltkenntniß, gering schätzte.
Die arme Sophie, welche die erste gewesen, diese Aussöhnung in Vorschlag zu bringen, ward nun selbst das Opfer. Beide vereinigten sich in ihrem Tadel über deren Aufführung; sie erklärten ihr mit gemeinschaftlichen Kräften den Krieg und hielten augenblicklich zusammen Rat, wie sie solchen am nachdrücklichsten führen sollten. Zu diesem Endzweck schlug die gnädige Tante von Western vor, nicht nur aufs fördersamste die Traktate mit Herrn Alwerth zu [5] schließen, sondern sie auch ebenso unmittelbar in Erfüllung zu bringen, und sagte dabei: Es sei kein andrer Weg mit ihrer Nichte durchzukommen, als auf gewaltsame Weise, welcher zu widerstehen, nach ihrer Ueberzeugung, Sophie nicht Entschlossenheit genug habe. »Mit der gewaltsamen Weise,« sagte sie, »meine ich eigentlich schleunige Maßregeln: denn an Gefangenschaft oder buchstäbliche Gewaltsamkeit kann und darf nicht gedacht werden. Unser
Weitere Kostenlose Bücher