Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
Plan, den wir verabreden, muß auf Ueberrumpelung gehen, und nicht auf einen Sturm.«
    Diese Dinge waren ausgemacht und beschlossen, als Herr Blifil kam, um seiner Braut einen Besuch zu machen. Sobald der Junker Western seine Ankunft vernahm, schlich er sich auf seiner Schwester Rat hin zu seiner Tochter, um ihr Ordre zu geben, daß sie ihren Liebhaber auf die gehörige Weise empfangen sollte; dieses that er [6] mit den bittersten Flüchen und Drohungen schrecklicher Folgen, wenn sie sich dessen weigerte.
    Die Heftigkeit des Junkers warf alles vor sich nieder, zu Boden, und Sophie, wie ihre Tante sehr weislich vorhergesehen hatte, war nicht vermögend, ihm zu widerstehen. Sie willigte also ein, Herrn Blifil anzunehmen, ob sie gleich kaum so viel Kraft oder Atem hatte, ihre Einwilligung auszusprechen. In der That war es nicht so leicht, einem Vater, den sie so zärtlich liebte, so rundweg eine abschlägige Antwort zu geben. Wäre dieser Umstand nicht hinzugekommen, so hätte sie vielleicht weit weniger Entschlossenheit gebraucht, als sie wirklich besaß; allein es ist eben so ungewöhnlich nicht, daß man solche Handlungen bloß der Furcht zuschreibt, welche großenteils eine Wirkung der Liebe sind.
    In Befolgung ihres Vaters gemessenster Befehle also nahm jetzt Sophie den Besuch des Herrn Blifil an. Auftritte wie dieser, wenn sie nach allen Teilen ausgemacht werden, geben, wie wir bereits angemerkt haben, dem Leser sehr wenige Unterhaltung. Wir werden uns demnach hier ganz genau an eine von Horazens Regeln halten, durch welche die Schriftsteller angewiesen werden, alle solche Sachen wegzulassen, welche sie in ein helles Licht setzen zu können verzweifeln. Eine Regel, welche nach unsrer Meinung sowohl für den Geschichtschreiber als für den Dichter von ungemeinem Nutzen ist, und deren Befolgung wenigstens die gute Wirkung haben muß, daß manches große Uebel (und so heißen alle dicken Bücher) dadurch zu einem kleinen heruntergebracht werde.
    Es ist möglich, daß die große Kunst, welche Blifil bei diesem Besuch anwendete, Sophie dahin gebracht haben könnte, einen andern Mann in seinen Umständen zu ihrem Vertrauten zu machen und ihm das ganze Geheimnis ihres Herzens zu entdecken. Allein sie hatte sich von diesem jungen Herrn eine so schlechte Meinung in den Kopf gesetzt, daß sie sich entschlossen hatte, ihm nicht das geringste Vertrauen zu schenken. Denn wenn ein kunstloses Herz einmal erst mißtrauisch geworden ist, so kann solches es oft mit der List selbst aufnehmen. Ihr Betragen gegen ihn war sonach gänzlich gezwungen, und wirklich so beschaffen, wie es gemeiniglich den Jungfrauen bei einem zweiten förmlichen Besuche von demjenigen, der zu ihrem Ehemanne bestimmt ist, vorgeschrieben zu werden pflegt.
    Unterdessen, obgleich Blifil sich gegen den Junker erklärte, daß er mit der erhaltenen Aufnahme völlig vergnügt sei, so war doch dieser Herr, der in Gesellschaft mit seiner Schwester alles belauscht hatte, nicht so gänzlich damit zufrieden. Er beschloß also, dem Rate dieser weisen Dame zufolge die Sache in aller Schnelligkeit so weit als möglich zu treiben, und indem er seinen künftigen Schwiegersohn [7] in Hoffnung nach seiner Weidmannssprache anredete, schrie er nach einem lauten Holla: »Hinteran, hinteran, Gesell! Muntre dich auf, lustig, da ist's, da ist's, da ist's, ehrlicher Bursch! Laß nicht ab, laß nicht ab! – Was thust so blöde, steh' nicht da, soll ich? darf ich? – Alwerth und ich könn'n heut nachmittag die Sach' unt'r uns abmachen, und laß uns gleich morgen im Tag' Hochzeit haben.«
    Nachdem Blifil die äußerste Freude und Zufriedenheit in seinen Mienen zusammengerafft hatte, antwortete er: »Da nichts in dieser Welt ist, mein Herr von Western, was ich so sehnlich wünsche, als eine Verbindung mit Ihrer Familie, ausgenommen meine Bereinigung mit dem höchst liebenswürdigen und verdienstvollen Fräulein Sophie, so können Sie sich leicht einbilden, wie ungeduldig ich sein muß, mich im Besitz meiner beiden angelegentlichsten Wünsche zu sehen. Wenn ich also in dieser Sache Ihnen nicht bringender angelegen habe, so werden Sie es bloß meiner Furcht zuschreiben, dem Fräulein dadurch mißfällig zu werden, wenn ich mich bestrebte, eine so glückliche Begebenheit mit größerer Eile zu Ende zu bringen, als es die strengste Anhänglichkeit an alle Regeln des Wohlstandes erlauben möchte. Wenn Sie es aber, mein Herr Western, durch Ihre Ueberredung bei ihr dahin zu bringen

Weitere Kostenlose Bücher