Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
vermöchten, daß sie nicht darauf achten wollte, was Formalitäten« –
»Formalitäten und alle Hagel!« unterbrach ihn der Junker. »Puh, was soll der Schnickschnack? Ich sage dir, sie soll dein sein, morgen im Tag! Wirst besser wissen, wie's in der Welt zugeht, biste nur erst so alt wie ich. Ja, Weibsen werd'n dir auch Ja sagen, da kannst' lange warten! 'S dürfen ja nicht, 's ist ja nicht Mode! Ja, hätt' ich so lang gewart't, bis ihre Mutter Ja gesagt hätt', da stünd ich 'r noch vor dir, als 'n Einspänner! – Drauf los, drauf los! Geh' ihr nicht von der Ferse, sag' ich dir. Da steckt's! sag' ich dir, wackrer Kumpe. Ich sag' dir's, morgen früh sollst's haben.«
Blifil ließ sich's gefallen, der andringlichen Beredsamkeit des Junkers gehörig nachzugeben, und nachdem man darüber eingekommen war, daß Western noch denselbigen Nachmittag mit Alwerth abschließen sollte, machte sich der Bräutigam wieder auf den Weg nach Hause, bat aber vorher noch sehr ernsthaft, man möchte dem jungen Fräulein durch diese Eile keine Gewalt anthun auf eben die Art, wie ein spanischer Inquisitor den weltlichen Richter bittet, mit dem Ketzer nicht gewaltsam zu verfahren, der ihm überliefert wird, und welchen die heilige Kirche bereits zum Scheiterhaufen verdammt hat.
Und die Wahrheit zu sagen, Blifil hatte Sophien gleichfalls schon verdammt. Denn so vergnügt wie er sich auch gegen Western [8] über seine Aufnahme gestellt hatte, so war er damit doch nichts weniger als zufrieden; denn alles, was er dabei gewonnen hatte, war die innige Ueberzeugung, daß ihn seine Braut haßte und verabscheute, und dies hatte dann nicht weniger gegenseitigen Haß und Verachtung bei ihm hervorgebracht. Vielleicht fragt man, warum er denn nicht auf einmal von seiner Bewerbung abgestanden sei? Ich antworte, grade eben aus dieser Ursache sowohl, als aus verschiedenen andern ebenso triftigen, welche wir jetzt sogleich dem Leser eröffnen wollen.
Obgleich Herr Blifil nicht einerlei Blutmischung mit unserm Jones hatte, und auch nicht ebenso allzeit fertig war, sich an jeder Weibsperson zu erlaben, die er erblickte, so mangelte es ihm doch keineswegs so gänzlich an dem Appetite, von welchem man sagt, daß er dem ganzen Tierreiche gemein sein soll. Neben diesem hatte er gleichfalls jenen unterscheidenden Geschmack, welcher dazu dient, die Menschen in der Wahl der Gegenstände oder des Futters für ihre verschiedenen Appetite zu leiten, und dieser lehrte ihn, Sophien als einen sehr schmackhaften Bissen zu betrachten, und sie wirklich mit eben der Begierde anzusehen, welche ein Ortolan der Seele eines Epikureers einflößt. Nun aber vermehrte der Kampf, welcher in Sophiens Seele vorging, ihre Schönheit vielmehr, als daß er solche verringert hätte; denn ihre Thränen erhöhten den Glanz ihrer Augen, und ihr Busen schwoll höher empor bei ihren Seufzern. In der That hat derjenige noch nie die Schönheit in ihrem höchsten Glanze gesehen, der sie noch nie in Kummer erblickte. Blifil sah also auf diesen menschlichen Ortolan mit größerer Begierde, als er ihn das vorige Mal betrachtet hatte, und diese Begierde ward auch nicht im geringsten durch den Abscheu vermindert, welchen er bei ihr vor seiner Person entdeckte. Er diente vielmehr dazu, das Vergnügen zu vergrößern, welches er sich beim Genuß ihrer Reize versprach, weil er der Wollust noch Triumph hinzufügte; ja, er hatte noch so einige fernere Absichten bei dem völligen unumschränkten Besitze ihrer Person, welche wir zu sehr verabscheuen', um sie nur zu nennen, und selbst die Rachgier hatte einigen Anteil mit an der behaglichen Befriedigung, die er sich versprach. Der Gedanke, daß er den Jones ausstäche und aus ihrem Herzen vertriebe, gab seinen Bewerbungen noch einen neuen Sporn, und versprach ihm einen neuen Zuwachs von Entzücken bei seinem Genuß.
Bei allen diesen Absichten, welche einigen grillenhaften Leuten vielleicht ein wenig zu stark nach Schadenfreude schmecken mögen, hatte er noch einen Punkt ins Auge gefaßt, welchen wohl wenige Leser mit großem Abscheu betrachten mögen, und dies waren Herrn Westerns Güter, die alle auf seine Tochter und deren eheliche [9] Leibeserben fallen sollten. Denn so ausschweifend war die Liebe dieses zärtlichen Vaters: wenn nur sein Kind einwilligen wollte, elend zu sein mit dem Ehemann, den er wählte, so war's ihm gleichviel, um was für einen hohen Preis er dieses väterliche Vergnügen erkaufte.
Aus diesen Gründen war Herr Blifil so
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