Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
begierig auf die Verbindung, daß er sich vornahm, Sophien zu täuschen, indem er sich stellte, als ob er sie liebte, und ihren Vater und seinen eignen Onkel dadurch zu hintergehen, daß er that, als ob er von ihr geliebt würde. Bei diesem Vornehmen half er sich mit der Frömmigkeit des Herrn Schwögers, welcher dafür hielt, daß, wenn der vorgesetzte Endzweck nur fromm und religiös sei (wie wirklich doch der Ehestand ist), so käm' es nicht darauf an, wenn auch die Mittel schändlich wären. So wie er bei andern Gelegenheiten die Philosophie des Herrn Quadrats anzuwenden pflegte, welche lehrte, der Endzweck sei eben nichts Wesentliches, wenn nur die Mittel rein wären und mit der moralischen Regel des Rechts bestehen könnten. Die Wahrheit zu sagen gab es wenige Vorfälle im menschlichen Leben, bei welchen er nicht aus den Lehrsätzen des einen oder des andern dieser großen Männer hätte großen Nutzen ziehen können.
Es bedurfte eben keiner großen Hinterlist oder großen Betrugs bei Herrn Western, welcher die Neigung seiner Tochter von ebenso geringer Bedeutung bei der Sache hielt, als sie dem Herrn Blifil nach seiner eigenen Meinung nötig war. Da indessen Herr Alwerth eine ganz andere Art von Gesinnungen hegte, so war es durchaus notwendig, diesen zu täuschen. Hierbei hatte unterdessen Herr Blifil an Herrn Western einen so guten Gehilfen, daß es ihm ohne Schwierigkeit gelang. Denn da Herr Alwerth von Sophiens Vater die Versicherung erhalten hatte, daß seine Tochter die erforderliche Neigung für Blifil habe und daß alles, womit er sie in Ansehung Jones' in Verdacht gehabt hätte, völlig falsch gewesen sei, so brauchte Blifil weiter nichts zu thun, als dieses Vorgeben zu bestätigen, welches er mit doppelsinnigen Worten that, daß er für sein Gewissen noch immer einen Rückhalt behielt, und er hatte das Vergnügen, seinem Onkel eine Lüge beizubringen, ohne die Sünde zu begehen, daß er sie sagte. Als er von Herrn Alwerth über den Punkt von Sophiens Neigung befragt ward, welcher sagte: er wolle auf keinerlei Weise etwas dazu beitragen, daß ein junges Frauenzimmer wider ihren Willen zu einer Heirat gezwungen würde, so antwortete er: »Es wäre sehr schwer, hinter die wahren Gesinnungen eines jungen Frauenzimmers zu kommen: ihr Benehmen gegen ihn sei völlig so gütig, als er es wünschte, und wenn er ihrem Vater glauben dürfe, so hätte sie alle die Liebe für ihn, welche nur irgend ein Liebhaber [10] sich wünschen könne. Was den Jones betrifft,« sagte er, »den ich ungern einen Schurken nenne, obgleich seine Aufführung gegen Sie, mein bester Onkel, die Benennung hinlänglich rechtfertigt, so mag ihn wohl seine große Eitelkeit oder sonst schändliche Absichten verleitet haben, sich einer Falschheit zu berühmen. Denn, wenn wirklich an Fräulein Westerns Liebe für ihn etwas Wahres gewesen wäre, so würde die Größe ihres Vermögens ihm niemals gestattet haben, sie zu verlassen, wie er doch gethan hat, wie Sie wohl wissen. Und am Ende, mein liebster Onkel, versichre ich Sie, würde ich selbst um keinen Preis in der Welt, ja um die ganze Welt selbst nicht drein willigen, das Fräulein zu heiraten, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß sie alle die Liebe zu mir hätte, welche ich von ihr wünsche.«
Diese vortreffliche Methode, eine Unwahrheit bloß mit dem Herzen zu verhandeln, ohne die Zunge einer Lüge schuldig zu machen, indem man sich des Mittels doppelsinniger Worte und Redensarten bedient, hat das Gewissen manches großen Betrügers beruhigt; und dennoch, wenn wir bedenken, daß es die Allwissenheit ist, welche sie zu hintergehen trachten, so möchte doch wohl so viel erhellen, daß diese Mittel nur einen sehr hinfälligen Trost verleihen können, und daß die künstliche und überfeine Distinktion zwischen eine Lüge mitteilen und eine Lüge sagen kaum der Mühe wert sei, welche sie dem Betrüger kostet.
Alwerth setzte kein Mißtrauen in dasjenige, was ihm die Herren Western und Blifil sagten, und der Ehekontrakt war in Zeit von zweien Tagen verabredet. Nichts blieb übrig zu thun, bevor der Priester sein Amt verrichtete, als die Amtsverrichtung des Rechtsgelehrten; aber diese drohte so viel Zeit hinwegzunehmen, daß Western sich erbot, sich lieber durch alle Arten von eidlichen Versprechungen zu binden, als das Glück des Brautpaars noch länger zu verschieben. In der That war er so ernst und dringend, daß eine gleichgültige Person daraus hätte schließen sollen, er wäre bei
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