Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
dieser Heirat noch mehr Hauptperson als er wirklich war. Aber diese Hitze war ihm bei allen Gelegenheiten natürlich; und alles, was er unternahm, betrieb er auf eine Art, als ob das Gelingen dieser einzigen Sache von der Wichtigkeit wäre, daß die Glückseligkeit seines ganzen Lebens davon abhinge.
Dies vereinigte Anhalten und Andringen beider, des Schwiegervaters und Schwiegersohns, hatte vermutlich Herrn Alwerth an der weichen Seite getroffen, welcher es nicht gut übers Herz bringen konnte, die Glückseligkeit seines Nebenmenschen auf die lange Bank zu schieben, hätte Sophie selbst es nicht verhindert und solche Maßregeln ergriffen, die dem ganzen Traktate ein- für allemal ein [11] Ende machten, und beide, die Geistlichkeit und die Juristen, um die Sporteln brachten, welche diese weisen Gesellschaften für diensam erachtet haben, auf eine rechtskräftige Weise der Vermehrung des Menschengeschlechts zu legen. Davon im nächsten Kapitel ein mehreres.
Siebentes Kapitel.
Eine sonderbare Entschließung Sophiens; und eine noch sonderbarere Kriegslist der Jungfer Honoria.
Jungfer Honoria war freilich hauptsächlich auf ihr eigenes Frommen bedacht; indessen war sie doch nicht so ganz ohne alle Anhänglichkeit an Sophie. Die Wahrheit zu sagen, so war es für jedermann sehr schwer, dieses junge Fräulein zu kennen, und es nicht zu lieben. Sie hörte also nicht so bald eine Neuigkeit, die ihr für ihr Fräulein von großer Wichtigkeit schien, als sie allen ihren Zorn und Unwillen, den sie vor zwei Tagen über die unfreundliche Verweisung aus Sophiens Gegenwart empfunden hatte, vergaß und stracks hinlief, ihr diese Zeitung zu hinterbringen.
Sie plumpte ebenso mit ihrer Rede heraus, als sie ins Zimmer hereingeplatzt war. »O liebst' 'R Gnaden,« sagte sie, »was sagen gnädige Frölen darzu? Mein'r Ehr', mir stehn drüber die Haare zu Berg'. Doch, dacht' ich, 's wäre meine Schuldigkeit, es 'R Gnaden zu sag'n, ob's m'r gleich Ungnädigkeit zuziehen kann; denn wir armen Bediensteten wissen nicht immer, was unsere Damens ungnädig machen kann; denn vorwahr, 'ne Kammerjungfer muß immer alles ausbad'n. Wenn unsre gnädigen Damens nicht in Laune sind, so schmälern sie mit uns, und, mein'r Ehr'! 's soll mich nicht wundern, wenn 'R Gnaden mißlaunisch wären; o ja freilich, 's muß Sie erstaunen, und erschrecken obendrein noch.« – »Liebe Nore, lasse Sie mich ohne längere Vorrede hören, was Sie hat,« sagte Sophie; »es gibt sehr wenige Dinge, ich versichre Sie, worüber ich erstaune, und noch weniger, worüber ich erschrecke.« – »Liebste 'R Gnaden,« antwortete Honoria, »vorwahr, auf meine Ehr', ich hab' unsern gnädigen Herrn mit Pastor Schickelmann so von fern sprechen hören, von'n Freischein zur Trauung hol'n, noch heut nachmittag; und mein'r Ehr, ich hört 'n sag'n, 'R Gnaden sollt'n morgen vormittag getraut werden.« Sophie ward bleich und blaß bei diesen Worten, und wiederholte hastig: »Morgen vormittag!« – »Ja, ja, 'R Gnaden; 'ch will mein'n körperlichen Eid drauf thun, daß ich's unsern gnädigen Herrn hab' sagen hören.« – »Nore,« sagte Sophie, »Sie hat mir ein solches Erstaunen und Schrecken gemacht, daß ich kaum [12] noch Atem schöpfen kann. Was soll ich bei meiner so fürchterlichen Lage anfangen?« – »Ich wollt' wünschen, 'ch könnt 'R Gnaden 'n guten Rat geben,« sagte sie. – »Thu Sie's, rate Sie mir,« sagte Sophie; »liebstes Norchen, ich bitte, gebe Sie mir einen guten Rat! Was meint Sie, würde Sie thun, wenn Sie an meiner Stelle wäre.« – »Vorwahr, gnädiges Frölen,« rief Honoria, »ich wollt' wünschen, 'R Gnaden und ich könnten tauschen; das ist, ich meine nur so, ohn' daß 's 'R Gnaden zu nah thät'; denn vorwahr! so bös mein' ich's mit 'R Gnaden nicht, daß ich wünschen sollt', Sie wären eine arme Kammerjungfer; sondern nur so, weil ich, wenn ich an 'R Gnaden Stelle wär', es mir ganz gemütlich sein sollt. Denn nach meiner geringen Meinung ist der junge Herr von Blifil ein so scharmanter, süßer, schöner Mann« – »Sage Sie mir nicht solch dummes Zeug vor!« rief Sophie. – »Dumm Zeug! dumm Zeug!« wiederholte Honoria. – »Ja, nun so! – Man mag wohl sagen: ein's Menschen sein' Speise, ist des andern Menschen sein Gift; und das ist, mein'r Ehr', ebenso wahr von's Weibsen.« – »Nore,« sagte Sophie, »ehe ich darein willigte, die Frau eines so elenden, verächtlichen Menschen zu werden, wollte ich mir einen Dolch ins Herz stoßen.« –
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