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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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empfehle es in allem Ernste einem jeden Leser, welcher diese alte Stadt einmal besuchen möchte. Sein Besitzer ist ein Bruder des großen Predigers Whitefield, er ist aber ganz und gar nicht von den Grundsätzen der Pietisterei oder sonst einer andern ketzerischen Sekte angesteckt. Er ist wirklich ein gerader, schlichter, ehrlicher Mann, und nach meiner Meinung scheint's nicht, daß er weder in der Kirche noch im Staate schlimme Händel anrichten wird. Seine Ehegattin hatte, wie mich dünkt, viel Anspruch auf Schönheit und ist noch eine sehr fein gebildete Frau. Ihre Person und ihr Anstand hätte in den vor nehmsten Gesellschaften eine glänzende Figur spielen können; allein so gut sie sich dessen bewußt sein muß, so scheint sie doch mit dem Stande des Lebens, in welchen sie versetzt ist, vollkommen zufrieden zu sein und sich in ihre Lage zu schicken und zu fügen. Diese Fügsamkeit ist ganz ein Werk ihrer Klugheit und Weisheit, denn sie ist gegenwärtig ebenso rein von allen methodistischen und pietistischen Grillen, wie ihr Ehemann. Ich sage gegenwärtig, denn sie gesteht ganz frei, daß anfänglich ihres Schwagers Lehren einigen Eingang bei ihr fanden und daß sie sich in die Unkosten eines langen Huts gesetzt habe, um dem außerordentlichen Treiben des Geistes mit beizuwohnen; da sie aber während einem Versuche von drei Wochen keine Bewegung verspürt, die, wie sie sagt, nur drei Dreier wert gewesen, so habe sie ihren langen Hut ganz weislich wieder abgelegt und Pietisten [90] Pietisten sein lassen. Um nicht weitläufig zu werden – sie ist eine sehr freundliche, gutmütige Frau und auf eine so sinnreiche Art dienstfertig und gefällig, daß die Gäste von sehr mürrischer Gemütsart sein müßten, die in ihrem Hause nicht außerordentlich zufrieden wären.
    Madame Whitefield stand zufälligerweise auf dem Hofplatze, als Jones und sein Begleiter einmarschierten. Ihr Scharfblick entdeckte in dem äußeren Wesen unseres Helden bald ein Etwas, das ihn von dem gemeinen Haufen unterschied. Sie befahl daher ihren Bedienten, ihm sogleich ein Zimmer anzuweisen, und gab ihm gleich darauf die Einladung mit ihr zu mittag zu essen, welche Einladung er sehr dankbar annahm. Denn nach einem so langen Fasten und einem so langen Marsche würde ihm in der That eine wenig angenehmere Gesellschaft und eine weit schlechtere Mahlzeit, als sie besorgt hatte, willkommen gewesen sein.
    Außer dem Herrn Jones und der guten Hausvorsteherin setzten sich noch an den Tisch ein Gerichtsprokurator von Salisbury; gerade ebenderselbe, welcher die Nachricht von Madame Blifils Tode an Herrn Alwerth überbracht hatte, und dessen Name, den wir soviel ich weiß noch nicht genannt haben, Dowling hieß; ferner ein anderer Mensch, der sich einen Juristen schelten ließ, und nahe bei Lidlinch in Somersetshire wohnte. Der Mensch sage ich, ließ sich einen Juristen schelten, in der That aber war er einer der schlechtesten unter der Gattung Zungendrescher, die man eigentlich Dielenläufer nennt, weil sie von einer Gerichtsdiele der Unterrichter zur anderen laufen, in geringfügigen Sachen die Termine abwarten, ob sie gleich oft nicht einmal schlichten Menschenverstand geschweige denn wissenschaftliche Kenntnisse haben; daher man sie denn auch juristische Freibeuter nennen konnte. Im Grunde sind sie die Mietpferde der ordentlichen Advokaten, auf denen sie gegen Häcksel und Heu (den Hafer behalten die Advokaten selbst) ihre Produkte und Exzeptionen vor den ersten Instanzen herumreiten lassen.
    Während der Mahlzeit erinnerte sich der Dielenläufer des Gesichts des Herrn Jones, das er in Herrn Alwerths Hause gesehen hatte; denn er hatte in der Küche oder Gesindestube dieses Herrn manchen Besuch abgestattet. Er nahm also Gelegenheit, sich zu erkundigen, wie sich diese gute Familie befände? und zwar mit einer so vertraulichen Miene, daß man hätte meinen sollen, Herr Alwerth wäre so sein ordentlich guter Freund und Bekannter; und in der That ließ er's nicht an seinem Bestreben ermangeln, sich dafür halten zu lassen, ob er gleich niemals in diesem Hause mit einer höhern Person als dem Tafeldecker gesprochen hatte. Jones beantwortete alle seine Fragen mit vieler Höflichkeit, obwohl er sich nicht erinnerte [91] diesen Dielenläufer vorher gesehen zu haben, und ob er gleich aus dem äußerlichen Anzug und Wesen des Menschen schloß, daß er sich solche Freiheiten anmaße, zu denen er nicht berechtigt sei.
    Da die Gespräche dieser Gattung Leute für

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