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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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aus ihrem Hause fort sein.
    Dieser ihr Widerwille ward noch durch eine Nachricht vermehrt, die Herr Whitefield aus der Küche heimbrachte, woselbst Rebhuhn der Gesellschaft anvertraut hatte: »Ob er schon den Schnappsack trüge und mit den Bedienten in der Küche fürlieb nähme, unterdessen daß Tom Jones (so nannte er ihn kurzweg) sich am Herrschaftstische gütlich thue, so sei er doch nicht sein Bedienter, sondern bloß sein Freund und Gesellschafter, und so gut ein freier Herr als Jones selbst.«
    Dowling saß die ganze Zeit über in Gedanken, biß sich die Finger, schnitt Gesichter, schmuzerte und sah listig und pfiffig aus; [93] endlich öffnete er seine Lippen und versicherte, der junge Herr käme ihm vor als eine ganz andre Art vom Manne. Er forderte darauf seine Rechnung mit dem größten Eide, beteuerte er müsse den Abend noch in Hereford sein, beklagte sich wegen überhäufter Geschäfte und wünschte, er könnte sich in zwanzig Teile teilen, um an zwanzig Orten zugleich zu sein.
    Der geschwätzige Dielenläufer ging nun ebenfalls fort; und Jones erbat sich von Madame Whitefield die Gewogenheit, ihm bei seinem Thee Gesellschaft zu leisten; sie schlug's ihm aber ab, und zwar auf eine Art, die von derjenigen, womit sie ihn bei Tische aufgenommen hatte, so verschieden war, daß es ihn ein wenig wunder nahm. Und nunmehr merkte er bald, daß sie ihr Betragen gänzlich verändert hätte; denn anstatt ihrer gewohnten Freundlichkeit, welche wir vorhin an ihr gepriesen haben, hatte sie in ihren Mienen eine steife Ernsthaftigkeit angenommen, welche dem Herrn Jones so unangenehm wurde, daß er sich, so spät es auch war, entschloß, noch diesen Abend das Haus zu verlassen.
    Er machte von dieser plötzlichen Veränderung freilich eine etwas unbillige Auslegung; denn über dem, daß er sie harter- und ungerechterweise, in seinen Gedanken, der weiblichen Unbeständigkeit und des Wankelmuts beschuldigte, begann er auch zu argwöhnen, er habe diesen Mangel der Höflichkeit seinem Mangel an Pferden zu verdanken. Eine Gattung von Tieren, welche, weil sie keine Bettücher schmutzig machen, in den Wirtshäusern für bessere Bezahler ihres Nachtlagers gehalten werden als ihre Reiter, und deswegen die willkommensten sind. Allein Madame Whitefield, um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, besaß eine weit edlere Art zu denken. Sie war von vollkommen guter Lebensart und pflegte einem braven Manne alle Höflichkeit zu erweisen, ob er gleich zu Fuße reiste. In der That betrachtete sie unsern Helden als einen schlechten Taugenichts, und deshalb begegnete sie ihm als einem solchen; worüber selbst Jones sie nicht hätte tadeln können, wenn er ebensoviel gewußt hätte als unsre Leser; im Gegenteil hätte er sogar ihre Aufführung billigen, und sie wegen der Verachtung, die sie ihm bewies, nur um so höher schätzen müssen. Dies ist in der That ein um so strafbarerer Umstand bei der Bosheit, die die Menschen so ungerechterweise um ihren guten Leumund bringt: denn ein Mann, der sich's bewußt ist, daß man ihn für einen schlechten Kerl kennt, kann es mit Recht niemand übelnehmen, wenn er ihm kalt und verächtlich begegnet; sondern muß vielmehr diejenigen verachten, die sich nach seinem Umgang drängen; ausgenommen in dem Falle, da eine genaue Bekanntschaft beide Teile überzeugt hat, daß der Leumund [94] des Freundes fälschlich und boshafterweise bei der Welt angeschwärzt worden.
    Dies war indessen Herrn Jones Fall nicht. Denn weil ihm die eigentliche Wahrheit unbekannt war, so hatte er allerdings recht, sich durch die ihm widerfahrene Begegnung für beleidigt zu halten. Demnach bezahlte er seine Rechnung und setzte seinen Stab weiter, fast schnurstracks gegen Rebhuhns Willen, welcher dawider die ernstlichsten Gegenvorstellungen that; aber da er merkte, daß alles vergebens wäre, sich's endlich gefallen ließ, seinen Schnappsack aufzuhucken und seinen Freund zu begleiten.

Neuntes Kapitel.
    Mancherlei Dialoge zwischen Jones und Rebhuhn, über Liebe, Kälte, Hunger und mehr Materien; nebst der knappen Ausweichung einer Gefahr, an deren schroffem Rande Rebhuhn stund, seinem Freunde eine fatale Entdeckung zu machen.
     
    Schon begannen die Schatten hoher Berge sich tiefer in die Thäler zu strecken; die gefiederte Schöpfung hatte sich bereits zu ihrer Ruhestätte begeben; schon setzten sich die vornehmsten der Sterblichen zu ihrem Mittags- und die geringsten zu ihrem Abendessen. – Mit weniger Worten, die Glocke schlug

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