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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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geschah, und seit dreißig Jahren hat keine Seele drin wohnen können! Ja!«
    Obgleich Jones sich ein wenig über Rebhuhns Ungezogenheit ärgerte, so konnte er sich doch nicht enthalten über seine Einfalt zu lächeln. Der Fremde that dasselbe und fuhr dann mit seiner Geschichte fort, wie im nächsten Kapitel zu ersehen sein wird.

Dreizehntes Kapitel.
    In welchem die vorhergehende Geschichte weiter fortgesetzt wird.
     
    »Mein Universitätsbruder hatte mich nunmehr in eine neue Szene des Lebens eingeführt. Ich war bald mit der ganzen geheimen griechischen Brüderschaft bekannt und in ihre Geheimnisse eingeweiht. Ich verstehe unter ihren Geheimnissen die fast plumpen Kunstgriffe, womit man die rohen und unerfahrnen Dobbeler zu berücken pflegt, denn es gibt Handgriffe von Schnellen, Setzen und Kneifen der Würfel von einer feinern Gattung, welche nur einigen Wenigen von der Bande oder den Meistern von ihrer Profession bekannt sind; ein Grad von Ehre, der über meine Erwartung hinaus lag, weil der Trunk, dem ich bis zum Uebermaß ergeben war, und die natürliche Hitze meiner Leidenschaften mich verhinderten, es in einer Kunst bis zu einem hohen Grade zu bringen, welche ebensoviel Kaltblütigkeit erfordert als die strengste Schule der stoischen Philosophie.
    Herr Watson, mit dem ich jetzt in der engsten Freundschaft lebte, hatte zum Unglück den ersten dieser Fehler gleichfalls in einem hohen Grade an sich, dergestalt daß er, anstatt sein Glück durch seine Profession zu machen, wie einige thaten, wechselsweise bald arm bald reich, und zuweilen genötigt war seinen kaltblütigeren Freunden bei einer Flasche Wein, wovon sie niemals kosteten, die Beute wieder auszuliefern, welche er einigen Gimpeln am öffentlichen Spieltische abgenommen hatte.
    [125] Unterdessen suchten wir uns doch so gut als möglich durch dieses ungemächliche Leben durchzuhelfen, und ich blieb zwei Jahr hindurch bei diesem Gewerbe, während welcher Zeit ich alle die verschiedenen Abwechselungen des Glücks erfuhr, zuweilen im blühenden Wohlstande und zuweilen gezwungen gegen fast unglaubliche Not und Mangel anzukämpfen. Heute wälzte ich mich im üppigsten Ueberfluß und morgen war ich bis zu der kümmerlichsten Hausmannskost heruntergebracht. Oft trug ich meine feinsten Kleider des Abends auf meinem Leibe, und des folgenden Morgens standen sie schon wieder bei einem Wucherer zum Pfande.
    Eines Abends, als ich mit völlig ausgeleerten Taschen vom Spieltische wegging, bemerkte ich in der Gasse ein großes Getümmel und einen starken Haufen von zusammengelaufenen gemeinen Leuten. Da ich von keinem Taschendiebe was zu besorgen hatte, wagt' ich mich unter das Gedränge, wo ich nach eingezogener Erkundigung fand, daß ein Mann von Spitzbuben bestohlen und dabei sehr übel behandelt worden war. Der verwundete Mann vergoß viel Blut und schien kaum noch so viel Kräfte zu haben, sich auf den Füßen halten zu können. Da mich nun meine gegenwärtige Lebensart und mein schlechter Umgang noch nicht aller meiner Menschlichkeit beraubt, ob mir solche gleich wenige Ehre und Scham übrig gelassen hatten, so bot ich der unglücklichen Person auf der Stelle meinen Beistand an. Der Mann nahm mein Anerbieten mit Dankbarkeit an, überließ sich meiner Führung und bat, ich möchte ihn nach einem Gasthause führen, woselbst er einen Wundarzt rufen lassen könne, weil er, wie er sagte, durch den starken Blutverlust ganz schwach wäre. Er schien wirklich sehr froh darüber zu sein, daß er einen rechtlich gekleideten Mann gefunden hätte, denn was alle übrigen von den um ihn her Versammelten betraf, so war keiner drunter, dessen Aeußeres von der Beschaffenheit gewesen, daß er sich ihm mit irgend einiger Klugheit hätte anvertrauen können.
    Ich nahm den unglücklichen Mann an den Arm und führte ihn nach dem Weinhause, wo wir unsre Zusammenkünfte hielten, weil es uns grade das nächste bei der Hand war. Ein Wundarzt, der sich zum Glück eben im Hause befand, kam also herbei und machte sich dran, ihm seine Wunden zu verbinden, welche, wie ich zu meinem Vergnügen hörte, nicht den Schein hatten, daß sie tödlich werden könnten.
    Der Wundarzt, nachdem er sein Geschäft mit vieler Behendigkeit und Geschicklichkeit verrichtet hatte, begann sich zu erkundigen, in welchem Teile der Stadt der verwundete Mann wohne? Dieser antwortete, er wäre eben heute morgen zur Stadt gekommen; sein Reitpferd stände in einer Herberge in Biccadilly und er habe noch [126] kein

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