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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Leute, die bei dieser Neigung der Menschen alle Uebel unbemerkt vorübergehen zu lassen, eine große Beschwerlichkeit empfinden. Ich meine solche Personen, welche kein Geld haben. Denn sowie man von denen, die uns nicht kennen, keine Gefahr läuft, beschämt zu werden, so kann man auch von ihnen nicht erwarten, daß sie uns kleiden und speisen werden. Und ein Mensch kann in der Gegend der Bank von London ebenso leicht verhungern, als in einer arabischen Wüste.
    Mein gegenwärtiges Glück bestand darin, von einem Uebel (wie es verschiedene Schriftsteller, die nach meiner Meinung sehr gedrückt sein mußten, in Ruf gebracht haben) gänzlich befreit zu sein, nämlich vom Gelde.« – »Mit gütiger Erlaubnis, mein Herr,« sagte Rebhuhn, »ich wüßte keinen Schriftsteller, der es
malorum
genannt hätte; wohl aber
irritamenta malorum. Effodiuntur opes irritamenta malorum!
« – »Gut, Herr,« fuhr der Fremde fort, »laß es sein, Uebel für sich selbst, oder bloß eine Ursache des Uebels. Ich war davon gänzlich entblößt, und zugleich von Freunden; und, wie ich dachte, auch von Bekannten, als ich eines Abends, da ich sehr hungrig und sehr elend durch Innertempel ging, plötzlich eine Stimme hörte, die mich so ganz bekannt und vertraut bei meinem Taufnamen nannte; und sowie ich mich herumwandte, erinnerte ich mich alsobald der Person, die mich grüßte, als einer Bekanntschaft von der Universität her. Der Mensch hatte solche schon vor mehr als einem Jahre verlassen, lange vorher, als ich dort in irgend ein Unheil verfallen war. Watson, so hieß sein Name, schüttelte mir herzlich die Hand, bezeigte eine große Freude mich anzutreffen, und schlug vor, auf der Stelle hinzugehn und eine Flasche Wein miteinander zu trinken. Anfänglich lehnte ich den Vorschlag ab, unter Vorwand von Geschäften; als er aber sehr ernsthaft und dringend darauf bestand, besiegte zuletzt der Hunger meinen Stolz, und ich bekannte ihm ganz ehrlich, daß ich kein Geld bei mir hätte; jedoch nicht ohne eine Entschuldigungslüge zu schmieden und es darauf zu schieben, daß ich den Morgen andere Beinkleider angelegt hätte. Herr Watson antwortete: Ich dächte, Jakob, Sie und ich wären zu alte [120] gute Bekannte, um solcher Kleinigkeiten zu erwähnen. Er faßte mich also beim Arm, um mich mit sich fortzuzerren; ich machte es ihm aber gar nicht sauer, denn meine eigene Neigung zog mich stärker, als er es thun konnte. Wir gingen also nach der Mönchgasse, woselbst, wie Sie wissen, Wohlleben und Fröhlichkeit zu Hause sind. Als wir in die Schenke gekommen waren, wendete sich Herr Watson bloß an den Kellnerburschen, ohne mit einem Wort an den Koch zu gedenken; denn er hatte kein Arges dran, daß ich nicht längst schon zu mittag sollte gegessen haben. Da sich indessen die Sache wirklich ganz anders verhielt, so brachte ich eine ganz andere Unwahrheit zu Markte und sagte zu meinem Genossen: ich hätte am andern Ende der Stadt wichtige Geschäfte zu verrichten gehabt und nur im Fluge einen Bissen in einer Garküche zu mir genommen; wäre also schon wieder hungrig und wünschte, er wolle zum Weine auch etwas zu essen geben lassen.« – »Gewisse Leute,« schrie Rebhuhn, »sollten ein gutes Gedächtnis haben! Oder hatten Sie nur eben grade Geld genug in Ihren verwechselten Beinkleidern für den im Fluge genommenen Bissen in der Garküche?« – »Ihre Anmerkung ist richtig,« antwortete der Fremde, »und ich glaube, dergleichen Verschnappereien sind unvermeidlich, wenn man mit Unwahrheiten umgeht. – Um aber weiter fortzufahren, mir war nunmehr außerordentlich behaglich zu Mute. Die Kollation und der Wein stärkten meine Lebensgeister sehr merklich, und ich schöpfte ein großes Vergnügen aus der Unterredung mit meinem alten Bekannten; um so mehr, da ich dachte, ihm sei alles, was auf der Universität nach seinem Abzuge vorgefallen war, völlig unbekannt.
    Jedoch er ließ mich nicht lange in dieser angenehmen Täuschung! Denn, nachdem er ein volles Glas in die eine Hand genommen und mit der andern die meinige angefaßt hatte, rief er aus: Hier! Ehrlicher Universitätskamerad, stoß' an! Ich bring's Ihnen auf gut Glück und Fröhlichkeit, daß Sie so mit Ehren aus der Sache losgekommen sind, die man Ihnen zur Last legte. Ich war wie vom Donner gerührt, so schämt' ich mich bei diesen Worten, und Watson, der solches merkte, fuhr folgendergestalt fort: – Na, Na! Was ist da zu schämen, alter Kumpan! Du bist frei und ledig gesprochen, und kein

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