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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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besagter Junker ganz wütig aus dem Gasthofe wegritt und daß er in dieser Wut seiner Tochter nachsetzte. Der Stallknecht hatte ihm gesagt, daß sie über die Severne gegangen sei; also ging er mit seinem Gefolge gleichfalls hinüber und ritt, was er reiten konnte, und drohte Sophien das bitterste Unheil an, wenn er sie erwischte.
    Er war noch nicht weit gekommen, als er an einen Weg gelangte, der doppelt auslief. Hier forderte er einen kurzen Kriegsrat zusammen, und nachdem er in demselbigen die verschiedenen Meinungen aufgenommen hatte, überließ er zuletzt dem Glücke die Sorge, ihn auf die rechte Spur seines Nachjagens zu leiten, und verfügte sich ohne weiteres auf die Worcester Heerstraße. Auf dieser Straße ging's ungefähr eine Stunde fort, als er anfing sich höchst bitterlich zu beklagen und öfters ausrief: »Sünd' und Schand' ist's, [279] so 'n Unglückshund is nicht mehr uf Gottes Erdboden, wie ich!« und dann eine ganze Ladung Flüche und Verwünschungen ausstieß.
    Der Ehren Herr Pfarrer bemühte sich, ihm bei dieser Gelegenheit mit Trost zuzusprechen: »Geben Sie nicht Raum den Sorgen, gnädiger Junker,« sagte er, »gleich jenen, die keine Hoffnung haben! Sintemalen obgleich wir noch nicht im stande gewesen sind, das junge Fräulein einzuholen, so müssen wir es doch für ein Glück achten, daß wir bis jetzt noch ihre Fußstapfen auf dem rechten Wege verfolgt haben. Wer mag uns das Gegenteil beweisen, daß sie nicht bald ermüdet sein werde von ihrer Reise und dann weilen wird und verziehen in irgend einer Herberge, um ihr Herz zu laben und ihren Leib mit Speisen zu erquicken; und sollte sich das ereignen, so werden Sie, so wahr der Herr lebt, in kurzem wieder fröhlich sein und guter Dinge.«
    »Pah! w's schiert mich's, Nickel,« antwortete der Junker, »'ch ärger' mich nur, daß 'n so schöner Morgen vor d' Hunde geht! 's ist verdammt hart, ein'n der schönsten Spürtage zu verlieren, denn das scheint's zu sein in dieser Jahreszeit und noch darzu, weil eben der Frost aufgegangen ist.«
    Ob Madame Fortuna, welche zuweilen bei ihren mutwilligsten Neckereien etwas Mitleiden blicken läßt, sich des Junkers etwa ein wenig erbarmte und, weil sie beschlossen hatte, daß er seine Tochter nicht einholen solle, vielleicht willig war, ihm das auf eine andre Art wett zu machen, das will ich nicht behaupten; aber er hatte kaum die vorhin angezognen Worte gesprochen und ihnen zwei oder drei Flüche auf den Fersen nachgeschickt, als eine Kuppel Jagdhunde in einer kleinen Entfernung ihre melodischen Kehlen eröffneten, welche des Junkers Pferd und sein Reiter beide merkten und beide in einem Hui die Ohren spitzten und der Junker die Jagd anschrie: »Werten is in der Fährt! is in der Fährt! Hol' mich der Teufel, in der Fährt is er!« Damit setzte er seinem Tier die Sporen in die Rippen, dessen es wenig bedurfte, weil es wirklich mit seinem Herrn einerlei Sinnes war. Und somit die ganze Gesellschaft querein über die Saatfelder hingeritten auf die Hunde zu mit vielen Hollahos und Horitos! unterdessen der arme Pfarrer unter vielem Kreuzigen und Segnen hinter dem Haufen nachwackelte. Die Fabel erzählt: Die schöne Murnerin, welche Venus auf das Flehen eines zärtlich Verliebten aus einer Katze in ein schönes Frauenzimmer verwandelte, sei nicht so bald eine Maus gewahr worden als sie, eingedenk ihrer ehmals gewohnten Freuden und noch klebend an ihrer ursprünglichen Natur, aus dem Bett ihres Ehemanns aufgesprungen, um das kleine Tierchen zu verfolgen. Was für eine Lehre sollen wir hieraus nehmen? Nicht die, daß das junge Weib ein Mißbehagen [280] empfand an den Umarmungen ihres verliebten Gatten: denn ob zwar von einigen die Bemerkung gemacht worden, daß Katzen zur Undankbarkeit geneigt sind, so pflegen doch Weiber und Katzen, zumal bei gewissen Gelegenheiten, ganz freundlich schmeichelnd zu sein und zu kurren. Die Wahrheit ist, wie der gelehrte Herr Roger L'Estrange in seinen tiefgedachten Betrachtungen sagt: »Jagen wir die Natur zur Thür hinaus, so kommt sie durchs Fenster wieder herein; und Kätzchen, wird es auch eine Dame, wird doch das Mausen niemals lassen.« Auf eben die Weise müssen wir's auch dem Junker nicht für einen Mangel an Liebe zu seiner Tochter anrechnen; denn in Wahrheit, er besaß deren keinen geringen Teil; wir müssen nur nicht vergessen, daß er ein Landjunker und Jagdliebhaber war, und dann können wir die Fabel auf ihn anwenden und ihre sinnreiche Moral gleichfalls.
    Die

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