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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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wir uns lieber diese Mühe ersparen wollen. Aufrichtig zu sein, so haben wir, dieser einzigen Ursache wegen, der ergiebigen Fruchtbarkeit unsres Genies schon oft große Gewalt angethan, und haben manche vortreffliche Beschreibung aus unsrem Werke weggelassen, welche sich sonst darin befunden haben würde. Und dieser argwöhnische Verdacht, ehrlich bekannt, entspringt, wie es gemeiniglich der Fall ist, aus unsrem eignen bösen Herzen, denn wir sind oft selbst gar entsetzlich dem Ueberhüpfen ergeben gewesen, wenn wir die Blätter der bändereichen Geschichtschreiber durchliefen.
    Mag's also damit genug sein, daß wir schlechtweg sagen, Jones, nachdem er einige Minuten lang die Person eines Unsinnigen gespielt hatte, kam nach und nach wieder zu sich selbst; was nicht so bald geschah, als er sich an Rebhuhn wandte, und ihn wegen des Anfalls, [284] den er in der Heftigkeit seiner Leidenschaft auf ihn gethan hatte, sehr ernstlich um Verzeihung bat; dabei aber damit schloß, daß er ihn ersuchte, er möchte niemals wieder seiner Heimkehr erwähnen; denn er sei entschlossen, jene Gegend niemals wieder zu sehen.
    Rebhuhn verzieh sehr leicht und versprach getreulich, dem Gebote zu gehorchen, das ihm jetzt auferlegt worden. »Und,« rief Jones sehr lebhaft aus: »weil mir's denn platterdings unmöglich ist, den Fußtritten meines Engels weiter nachzufolgen, nun so sei's! so will ich dem Pfade der Ehre folgen. Frisch auf! mein wackerer Gesell, komm, hin zur Armee! – Komm, es gilt um Ruhm und Ehre, und für eine höchst gerechte Sache; und ich würde auch dann noch gern mein Leben dafür aufopfern, wann mir's der Erhaltung wert wäre!« Und sowie er das sagte, betrat er den entgegengesetzten Weg von dem, welchen der Junker genommen hatte, und verfolgte also durch einen bloßen Zufall eben denselben, den Sophie vorher eingeschlagen hatte.
    Unsre Reisenden gingen jetzt fast eine Stunde fort, ohne eine Silbe mit einander zu sprechen, obgleich Jones allerdings mancherlei Sachen bei sich selbst und leise redete. Rebhuhn hingegen schwieg ganz und gar still, denn er hatte sich vielleicht noch nicht völlig von seiner vorigen Furcht erholt; überdem besorgte er seinen Freund zu einer neuen Anwandlung von Zorn zu reizen; besonders da er jetzt anfing, einer gewissen Vermutung Raum zu geben, die auch vielleicht bei dem Leser eben keine große Verwunderung erregen mag. Mit einem Worte, er fing an zu argwöhnen, Jones wäre ganz und gar von Sinnen gekommen.
    Zuletzt, als Jones des Selbstgesprächs müde geworden, redete er seinen Gefährten an, und verwies ihm sein stockdummes Schweigen, und der arme Mann gestand ganz treuherzig, es käme aus der Furcht, etwas Mißfälliges zu sagen. Und da nun diese Furcht so ziemlich durch das Versprechen einer unbedingten Freiheit zu sagen, was er wolle, gehoben worden, so nahm Rebhuhn seiner Zunge den Zügel wieder ab, welche sich vielleicht nicht weniger freute ihre Freiheit wieder zu erhalten, als ein junges Füllen, wenn ihm der Zaum wieder vom Halse gestreift und es wieder frei auf die Weide gejagt wird.
    Weil es Rebhuhn verboten war, diejenige Materie zu berühren, welche sich zuerst dargeboten haben würde, so fiel er auf das, was ihm zunächst in seinem Gemüte obenan schwebte, nämlich, der Mann vom Berge. »In Wahrheit, lieber Herr,« sagte er, »das konnte doch gewiß kein Mensch sein, der sich so kleidet, und auf eine so seltsame Weise, und gar nicht so wie andre Leute lebt. Und dann ißt er fast nichts, wie mir die alte Frau erzählt hat, als Kräuter, und [285] das ist eigentliches Futter für Pferde, statt für einen Christenmenschen. Ja, sogar auch, sagte der Wirt zu Upton, daß die Nachbarn dort herum eine sehr fürchterliche Meinung von ihm haben. Es will mir gar nicht aus dem Kopfe, daß es wohl ein Geist gewesen sein muß, der vielleicht gesandt ist, uns eine Warnung zu geben. Und wer weiß, ob nicht alle die Dinge, die er uns da erzählte, davon, daß er ins Feld gezogen, daß er gefangen genommen worden, und von der großen Gefahr worin er gewesen, daß er gehangen werden sollte, ob nicht alles eine Warnung für uns sein sollte, wenn wir bedenken, auf was für Wegen wir gehen. Noch dazu hat mir die vergangene Nacht von nichts anderm geträumt, als von Fechten und Schlagen, und mir kam's vor, als ob mir's Blut aus der Nase liefe, wie das Bier aus'm Zapfloche. Gewißlich, lieber Herr,
infandum, regina, jubes renovare dolorem.
«
    »Dein Märchen, Rebhuhn,« antwortete Jones, »ist

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