Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
fast eben so übel angebracht, als dein Latein. Nichts kann sich für Menschen, die in ein Treffen gehn, natürlicher ereignen als sterben. Vielleicht fallen wir darin alle beide. – Und was denn mehr!« – »Was mehr!« erwiderte Rebhuhn: »Je nun, dann hat's ein Ende mit uns, nicht wahr? Wenn ich dahin bin, so ist alles vorbei mit mir. – Was geht mich's an, wer Recht hat, oder wer den Sieg gewinnt, wenn ich erschlagen bin. Was ist alle das Läuten, das Viktoria schießen, und die Lustfeuer für einen der sechs Fuß tief unter der Erde liegt? Ja dann hat's ein Ende mit dem armen Rebhuhn!« – »Und ein Ende mit dem armen Rebhuhn,« rief Jones, »muß es heut, morgen, endlich einmal haben. Wenn Er das Latein so lieb hat, so will ich Ihm ein paar Zeilen aus dem Horaz vorsagen, welche selbst einer feigen Memme Mut einflößen könnten.
Dulce et decorum est pro Patria mori,
Mors et fugacem persequitur virum,
Nec parcit imbellis juventae
Poplitibus, timidove tergo.
«
»Ich wünschte, Sie wollten die Güte haben und mir das einmal destruieren und konstruieren; denn der Horaz, das ist ein recht schwerer Autor, und ich kann's Ihnen nicht so geschwind nachexplizieren, als Sie's mir vorsagen.«
»So will ich Ihm lieber eine Uebersetzung der Stelle vorsagen, das wird ebensogut sein.
Süß ist's und schön ist's, sterben für's Vaterland,
Der Tod verschont ja selber den Flücht'gen nicht,
Verschont nicht der wehrlosen Jugend
Zitterndes Knie und gewandten Rücken.«
[286] »Ja, das ist gewiß genug;« rief Rebhuhn. »Wahr genug,
Mors omnibus communis.
Aber, es ist doch ein großer Unterschied, ob man nach langen Jahren erst in seinem Bette stirbt wie ein frommer Christ, und da alle unsre Freunde umherstehen und klagen und weinen; oder ob man heute totgeschossen wird oder morgen wie ein toller Hund, oder wohl gar mit 'nem Pallasch oder Säbel in zwanzig Krautstücke gehackt wird; und das noch dazu, eh' man Zeit gehabt hat, für alle seine Sünden Buße zu thun. Ach lieber Gott, sei uns armen Sündern gnädig! das ist ausgemacht, die Soldaten sind ein arg gottlos Volk; ich hab' in meinem Leben nichts mit ihn'n zu thun haben mögen; ich hab' es kaum übers Herz bringen können, sie für Christen zu halten. Wenn ihnen das Maul aufgeht, kommt nichts heraus als Fluchen und Schwören. Ich wünschte Eu'r Gnaden bedächten sich, und schlügen in sich, das wünschte ich herzlich, eh' denn es zu spät ist, und bereuten den Vorsatz, darunter zu gehn. – Böse Gesellschaft verdirbt gute Sitten! das ist mein Hauptgrund. Denn was sonst droht, da fürchte ich mich ebensowenig als ein andrer. Ebensowenig! das kann ich sagen; wenn's sonst nichts ist. Denn, sehn Sie, ich bin ein Mann in meinen besten Jahren, und kann noch viel Wasser bergab fließen sehn. Ich habe von vielen Leuten gelesen, die über hundert Jahre alt geworden, und von etlichen, die weit über hundert Jahr gelebt haben. Nicht als hoffte ich, ich will sagen, als verspräch' ich mir, gerade auch eben so alt zu werden – aber, wenn's auch nur bis achtzig oder neunzig geht; dem Himmel sei Dank, das ist noch weit hin, und dann bin ich gar nicht bange vorm Sterben, so wenig wie ein andrer. Aber das ist doch auch wahr, dem Tode so in den Rachen laufen, eh' eines Menschen Zeit und Stunde gekommen ist, das scheint doch geradezu Ruchlosigkeit zu sein und Verwegenheit. Ja, wenn's dazu noch was Gutes stiften könnte! Aber, laß die Sache gerecht sein, oder ungerecht, was für einen Haufen Gutes können zwei Leute thun? Und ich für mein Teil, ich verstehe kein Wort davon; ich habe in meinem Leben nicht über zehnmal eine Flinte abgeschossen; und dabei war niemals eine Kugel drin. Und den Degen! – Fechten hab' ich gar nicht gelernt, und versteh' gar nichts davon. Und dann sind da noch die Kanonen, und denen in den Weg zu gehn, muß man doch in Wahrheit wohl für die größte Tollkühnheit halten; und kein Mensch, der nicht völlig verrückt ist – ich bitt' um Vergebung, aber, bei meiner armen Seele, ich meint' es nicht böse! Ich bitte Eu'r Gnaden, geraten Sie nicht wieder so in Zorn.«
»Sei unbesorgt, Rebhuhn,« sagte Jones, »ich bin nunmehr von deiner Herzhaftigkeit zu gut überzeugt, als daß du mich durch irgend etwas zum Zorne reizen könntest.« – »Euer Gnaden,« antwortete [287] er, »mögen mich immerhin feigherzig nennen, oder was Sie wollen! Wenn deswegen ein Mann feigherzig heißen soll, daß er gern in heiler Haut schlafen mag,
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