Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Beistand hervor; wendete sich dann an Herrn Alwerth und sagte, oder vielmehr [73] schluchzte: »Gnädiger Herr Richter, glauben mir 'R Gnaden, alle ihr' Leb's tage ist kein' arme Frau so g'mißhandelt als ich's werde, von dem schändl'chen Kerl da: 's ist nicht das Einz'gste mal, daß 'r mir falsch und untreu ist. Nein mit 'R Gnaden Wohlnehm'! er hat mein Eh'bett oft und manchmal besudelt. Ich hätt' ihm sein Saufen und Schwelgen und Versäum'n seiner Arbeit noch hingeh'n lassen, wenn 'r nicht eins der heil'gen zehn Gebote übertreten hätte; und wenn's nur noch außerm Hause gewesen wäre, so hätt' ich noch nicht so viel draus gemacht; aber'st mit meiner eigenen Magd, in meinen eignen vier Wänden, unter mein'm Dach, mein eignes keusches Eh'bett zu verunreinigen, denn das hat 'r gewiß mit seinen ruppigen Stinkhaaren gethan. Ja, du Lump, du! Du hast mein Ehebett besudelt, das hast du, und denn willst du mich beschuldigen, ich hätt' dich
verblüfft,
die Wahrheit zu bekennen. Ja, 'R Gnaden, er sieht mir auch darnach aus, daß ich'n verblüffen könnte! Ich trage die Zeichen an meinem eign'n Leichnam, die ich von seiner ochsigen Grausamkeit aufweisen kann. Wär'st du ein rechtl'cher Kerl gewesen, du Halunke! so hätt'st dich wohl geschämt, ein schwaches Werkzeug so zu traktieren; aber, du bist nicht e'nmal ein halber Kerl, das weist du! Bist für mich nicht 'nmal ein halber Ehemann gewest, siehstu! Hast wohl not, d'n Huren nachzulaufen, hast wohl große Not! da ich doch weiß – – und da er mir's Maul aufreißt, so bin erbötig, mit 'R Gnaden Wohlnehmen ein'n körperlichen Eid vor fünf Geistlichen drauf zu thun, daß ich sie miteinander im Bett gefunden habe. Was, du hast's wohl vergessen, glaub' ich, als du mich prügeltest, daß ich davor eine Ohnmacht kriegte, und mir's Blut vom Kopfe rann, weil ich dir deine Ehebrecherei, so ganz in aller christlichen Sanftmut, vorhielt! Aber! alle meine Nachbar'n können mir's bezeugen! 's wird e'n Nagel zu meinem Sarge sein, das wird's! so wird's!«
Hier fiel ihr Herr Alwerth ein und bat sie, sich zu beruhigen; wobei er ihr versprach, ihr sollte Gerechtigkeit werden. Hierauf redete er den Delinquent Rebhuhn an, welcher ganz blaß dastand, und die Hälfte seiner fünf Sinne vor Bestürzung, und die andere Hälfte vor Furcht verloren hatte, und sagte: es thät ihm leid, daß ein so gottloser Mann in der Welt wäre. Er versicherte ihn, seine listigen Ausflüchte, sein Lügen hinter- und vorwärts vermehre seine Schuld um ein großes: und er könne solches durch nichts anders gut machen, als durch ein aufrichtiges Bekenntnis und inniges Bereuen. Er ermahne ihn also, damit auf der Stelle den Anfang zu machen, daß er die That gestünde, und nicht länger beharre etwas zu leugnen, dessen er durch seine eigene Frau so deutlich überwiesen worden wäre.
[74] Hier, lieber Leser, bitte ich, sich eine Minute zu gedulden, derweil ich der Weisheit und Klugheit der Landesgesetze ein billiges Kompliment mache, welche das Zeugnis einer Ehefrau für oder gegen ihren Ehemann für unzulässig erklären. Dies, sagt ein gewisser gelehrter Autor, welcher, wie mich dünkt, wohl niemals bisher in irgend einem andern als in einem juristischen Buche angeführt worden, würde das Mittel sein, ewige Uneinigkeiten unter ihnen anzustiften. Es würde in der That viele Meineide und viele Staubbesen, Geldstrafen, Inhaftierungen, Landesverweisungen, Hängen und Köpfen veranlassen.
Rebhuhn stand eine Weile verstummt, bis er, da ihm zu reden geboten wurde, sagte, er habe bereits die Wahrheit gesagt, und berufe er sich auf den Himmel als Zeugen seiner Unschuld, und endlich auf das Mädchen selbst, die er seine Gestrengen bat, sobald als möglich vorfordern zu lassen; denn es war ihm nicht bekannt oder wenigstens stellte er sich so, daß sie diese Gegend des Landes verlassen hätte.
Herr Alwerth, dessen natürliche Gerechtigkeitsliebe, vereint mit seiner Kaltblütigkeit, ihn zu einem sehr geduldigen Richter machte, der alle die Zeugen anhörte, welche die beklagte Person zu ihrer Verteidigung beibringen konnte, willigte drein, das Endurteil in dieser Sache bis zu Hannchens Ankunft zu verschieben, nach welcher er auf der Stelle einen Boten abschickte; und dann, nachdem er Rebhuhn und seiner Frau Frieden geboten hatte, (ob er sich hierbei gleich vornehmlich an die unrechte Person wandte) beschied er sie auf den dritten Tag wieder vor; denn er hatte Hannchen Jones auf eine ganze Tagereise weit von seinem
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