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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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hochgebornen Herrn Grafen erst die gnädige Frau von Bellaston, und hernach Madame Fitz Patrick ihre Reden an ihn gerichtet hatten, so war doch nicht so bald dieser vornehme Herr ins Zimmer getreten, als er die ganze Aufmerksamkeit der beiden Damen ganz allein verschlang, und da er den Herrn Jones [53] ebensowenig bemerkte, als ob er ganz und gar nicht zugegen gewesen, ausgenommen wenn er ihn von Zeit zu Zeit vom Kopf bis zu den Füßen mit den Augen maß, so folgten die beiden Damen seinem Beispiele.
    Die Gesellschaft war nun schon solange beieinander gewesen, daß Madame Fitz Patrick ganz deutlich merkte, ein jeder von ihnen wollte der letzte zum Weggehen bleiben. Sie entschloß sich sonach, sich Herrn Jones zuerst vom Halse zu schaffen, weil er der Besuch war, mit welchem sie nach ihrer Meinung die wenigsten Umstände zu machen hätte. Sie nahm also bei einem kleinen Stillstande des Gespräches die Gelegenheit wahr, ihn anzureden und sagte zu ihm mit einer sehr feierlichen Miene: »Es wird mir heute abend nicht möglich sein, mein Herr, Ihnen in Ihrer Angelegenheit eine Antwort zu erteilen, wenn Sie aber so gütig sein wollen, ein Wort zur Nachricht zurückzulassen, wohin ich morgen nach Ihnen schicken kann –«
    Jones hatte natürliche, aber keine künstliche Lebensart. Anstatt also das Geheimnis von seiner Wohnung einem Bedienten mitzuteilen, sagte er es der Länge und Breite nach der Dame selbst und beurlaubte sich kurz darauf mit vielen Zeremonien. Er war nicht so bald zur Thür hinaus, als der große vornehme Herr, der ihn in seiner Anwesenheit gar nicht bemerkt hatte, anfing, ihn in seiner Abwesenheit destomehr zu bemerken. Allein wenn uns der Leser bereits entschuldigt hat, daß wir ihm den brillantern Teil der Konversation nicht erzählt haben, so wird er gewiß auch sehr geneigt sein, uns zu entschuldigen, wenn wir das unerzählt lassen, was eigentlich nach gemeiner Art Nackenschläge heißen kann. Inzwischen mag es vielleicht für unsre Geschichte wesentlich sein, daß wir einer Bemerkung der Frau von Bellaston erwähnen, welche ein paar Minuten nach ihm ihren Abschied nahm und beim Weggehen zu Madame Fitz Patrick sagte: »In Ansehung meiner Kousine bin ich überzeugt, daß sie von diesem Menschen keine Gefahr zu befürchten hat.«
    Unsre Geschichte soll dem Beispiele der Frau von Bellaston folgen und sich von der gegenwärtigen Gesellschaft beurlauben, die sich jetzt verringert hatte bis auf zwei Personen, unter welchen nichts vorfiel, was im geringsten unsern Leser oder uns anginge, und wodurch wir uns also nicht abhalten lassen werden, zu solchen Dingen überzugehen, die allen denjenigen von größerer Wichtigkeit zu sein scheinen müssen, welche sich nur im geringsten für die Begebenheiten in unsrer Geschichte interessieren.

[54] Fünftes Kapitel.
    Ein Abenteuer, das dem Herrn Jones in dem Hause begegnete, wo er sich eingemietet hatte; nebst einiger Nachricht von einem jungen Herrn, welcher eben daselbst Zimmer bewohnte, wie auch von der Wirtin des Hauses und ihren beiden Töchtern.
     
    Sobald es sich des nächsten Morgens früh mit Wohlanständigkeit thun ließ, meldete sich Herr Jones an der Thüre der Madame Fitz Patrick, woselbst er die Antwort erhielt, die Dame sei nicht zu Hause. Eine Antwort, die ihn um so mehr befremdete, da er seit Tagesanbruch in der Gasse auf und nieder gegangen war und er sie gesehen haben müßte, wenn sie ausgefahren wäre oder sich hätte austragen lassen. Unterdessen mußte er sich diese Antwort gefallen lassen, nicht nur jetzt, sondern noch bei fünf andern Besuchen, welche er den Tag über in dem Hause machte. Um gegen den Leser aufrichtig herauszugehn, hatte der irländische Herr Graf, ich weiß nicht aus was für Ursach, vielleicht aus Achtung für die Ehre der Dame, ausdrücklich verlangt, sie sollte vom Herrn Jones, den er für einen elenden Gauner ansah, keinen Besuch ferner annehmen, und die Dame hatte die Gefälligkeit gehabt, ihm das Versprechen zu geben, welches sie, wie wir jetzt sehen, so treulich erfüllte.
    Weil aber unser gutmütiger Leser vermutlich eine bessere Meinung von dem jungen Manne haben wird als diese Dame, und es ihm sogar leid thun möchte, wenn er besorgen müßte, Jones habe während dieser unglücklichen Trennung von seiner Sophie, seine Residenz in einer schlechten Schenke oder unterm blauen Himmel genommen, so wollen wir jetzt eine Nachricht von der Wohnung geben, die er gemietet hatte, welche wirklich in einem sehr anständigen

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