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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Hause und in einer sehr guten Gegend der Stadt war.
    Herr Jones also hatte Herrn Alwerth von einer braven Frau sprechen gehört, in deren Hause er abzutreten pflegte, wenn er in der Stadt wäre. Diese Frau, welche, wie Jones gleichfalls gehört hatte, in Bondstreet wohnte, war die Witwe eines Geistlichen, die er bei seinem Ableben im Besitz von zwei Töchtern und einiger kompletten Jahrgänge von Predigten im Manuskript hinterlassen hatte.
    Von diesen beiden Töchtern hatte Nette, die älteste, ihr siebenzehntes und Betty, die jüngste, ihr zehntes Jahr erreicht. Hierher hatte Jones den Rebhuhn geschickt, und in diesem Hause hatte er im zweiten Stock ein Zimmer für sich selbst und für Rebhuhn eins im vierten Stocke erhalten.
    Den ersten Stock bewohnte einer von denjenigen jungen Herren, welche in vorigen Jahrhunderten in einigen großen Städten schicklich [55] genug Witz- und Wonnegenossen genannt wurden. Ich sage schicklich genug, denn da gemeiniglich Männer nach ihrem Geschäfte oder nach ihrer Profession benannt werden, so könnte man sagen, daß Witz und Wonne das einzige Geschäft oder die einzige Profession der Herren gewesen, denen das Glück eine jede andre Erwerbsbeschäftigung unnötig gemacht hatte. Schaubühnen, Kaffeehäuser und Weinkeller waren die gewöhnlichen Oerter ihrer Versammlungen. Witz und Wonne oder Fröhlichkeit waren ihre Unterhaltungen in ihren unbesetztern Stunden, und Witz und Minne war das Geschäft ihrer ernsthaftern Augenblicke. Wein und die Musen eiferten um die Wette, die hellsten Flammen in ihren Busen anzuzünden. Auch bewunderten sie nicht nur, sondern einige hatten sogar die Gabe, ihre Schönen durch Gesänge zu verewigen und fast alle waren ziemlich gute Richter von Minnegedichten.
    Solche Männer führten daher den Namen Witz-und Wonnegenossen mit gutem Fug. Ich zweifle aber, ob man diese Benennung heutzutage mit eben der Schicklichkeit jenen jungen Herren beilegen dürfte, denen es freilich nicht an Ehrgeiz fehlt, sich durch Gaben und Talente berühmt zu machen, die sie so ungefähr nur von Hörensagen kennen. Doch, um auch gegen diese gerecht zu sein, sie fliegen noch eine Spanne höher als ihre Vorfahren und könnten Witzler-Wischgenossen heißen. Denn in einem Alter, worin die vorgedachten jungen Männer ihre Zeit darauf verwendeten, von den Reizen ihrer Schönen in ihren Kränzchen zu sprechen, einen Becher auf ihr Wohl zu leeren, einen vor ungeweihten Augen verborgnen Gesang zu ihrem Ruhme zu dichten, sich einander ihre Urteile von einem Buche oder Minnegedicht zu sagen, schreiben diese für die Pressen, drechseln Lehrgebäude der Weisheit, klexen Reime in Magazine und Monatsschriften, hecheln in kritischen Wischen ihre Lehrer durch, verführen, wenn sie können, ihre Weiber und Töchter, entführen in wütenden oder winselnden Romanen erträumte Geliebten und jedes ihrer geschriebenen Worte wird durch den Druck zu Grabe getragen, woraus selbst keine Rohrdommel einen Spuk hervorzubannen vermag. Solchergestalt werden ihre Arbeiten witzelndes Spiel, und ihre Spiele Liedlöhnerarbeit. Und jene von ihrer Genossenschaft, denen der Schweiß ihrer Väter oder deren Unterthanen ein noch üppigeres Leben erlaubt, haschen nach Zeitvertreib im Schneckenkreise der Kennerschaft der Künste, Malerei, Musik, Bildhauerei beschäftigt sie, und Natur- oder vielmehr Unnaturkunde, die mit dem Wunderbaren sich abgibt und von der Natur nichts kennt, als ihre Mißgeburten und Krüppelgestalten. Dies ist die Witzel wischkenner Genossam.
    Nachdem Jones den ganzen Tag mit vergeblicher Nachfrage [56] nach Madame Fitz Patrick hingebracht hatte, kehrte er am Ende ganz mißmutig nach seinem Zimmer zurück. Unterdessen er hier seinem Gram im Stillen freien Lauf ließ, hörte er ein heftiges Getümmel im untern Stock und bald darauf bat ihn eine weibliche Stimme ums Himmelswillen herunterzukommen und Mord und Totschlag zu verhüten. Jones, der sich bei keiner Gelegenheit lange bitten ließ, dem Unterdrückten beizustehen, lief augenblicks die Treppen hinunter und fand, als er in den Eßsal trat, aus dem das Getümmel erscholl, den jungen Herrn von der eben besagten Genossenschaft von seinem Lakaien an der Wand wie angenagelt gehalten, und ein dabeistehendes junges Mädchen, welche nichts that als rufen: »Er wird ihn morden! Er wird ihn morden!« In der That schien auch der arme junge Herr in einiger Gefahr zu sein, erdrosselt zu werden, als Jones eilig zu seinem Beistand flog und ihn, eben da ihm

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