Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
aufs Bitten an, um ihn zu bewegen, daß er wieder nach Hause kehren möchte. »Um Gotteswillen, mein teuerster Herr,« sagte er, »überlegen Sie doch! Was können Euer Gnaden thun? Wie ist es möglich, daß Sie in dieser Stadt leben können ohne Geld? Thun Sie, was Sie wollen, liebster Herr, oder gehn Sie, wohin es Ihnen beliebt, ich bin entschlossen, Sie niemals zu verlassen. – Aber ich bitte, überlegen Sie! – Ich bitte, bitte, gnädiger Herr, um Ihrer selbst willen überlegen Sie es wohl; und ich bin überzeugt, Ihr eigner richtiger Verstand wird es Ihnen sagen, daß es höchst nötig sei, wieder nach Ihrer Heimat zurückzukehren.«
    »Wie oft soll ich's Ihm sagen,« antwortete Jones, »daß ich keine Heimat habe, wo ich wieder hinkehren könnte? Hätte ich die geringste Hoffnung, daß Herrn Allwerths Thore offen stehen würden, mich aufzunehmen, so brauchte es keiner Not, mich zur Rückkehr zu drängen. – Sei Er versichert, keine andre Ursache auf Gottes Erdboden [65] könnte mich einen Augenblick abhalten, nach seinem Aufenthalte hinzueilen, als leider die, daß ich auf ewig davon verbannt bin. Seine letzten Worte waren: O guter Rebhuhn! Sie schallen mir noch in den Ohren. Seine letzten Worte waren, als er mir eine Summe Geldes zustellte; wie viel es war, weiß ich nicht, aber ansehnlich war sie, das weiß ich. Seine letzten Worte waren: Ich bin entschlossen, von heute an unter keinerlei Vorwand wieder mit dir etwas zu schaffen zu haben.«
    Hier verstummte Jones vor Gram des Herzens, sowie Rebhuhn vor Erstaunen auf einen Augenblick stumm blieb; allein er erhielt bald den Gebrauch der Sprache wieder, und nach einer kurzen Vorrede, in welcher er beteuerte, daß Spähen und Forschen seine Sache gar nicht wäre, erkundigte er sich, was Herr Jones mit der ansehnlichen Summe Geldes habe sagen wollen, und wie er nicht wüßte, wie viel, und wo das Geld geblieben wäre?
    Ueber alle diese Punkte erhielt er nun hinlängliche Auskunft, worüber er eben im Begriff stand, seine Anmerkungen zu machen, als er durch eine Botschaft von Herrn Nachtigall unterbrochen ward, der sich von seinem Herrn ausbitten ließ, ihm auf seinem Zimmer Gesellschaft zu leisten.
    Als beide Herren für die Maskerade ausgerüstet waren und Herr Nachtigall hingeschickt hatte, ein paar Sänften zu holen, verspürte sich Herr Jones in einer Art von Not, welche manchem meiner Leser lächerlich genug vorkommen mag. Diese war, woher er den Trägerlohn nehmen sollte. Wenn solche Leser aber sich zurückerinnern wollen, was sie selbst über den Mangel von tausend, vielleicht von zehn- oder zwanzigtausend Dukaten, um ein Lieblingsprojekt auszuführen, empfunden haben, so können sie sich eine deutliche Vorstellung von demjenigen machen, was Jones bei dieser Gelegenheit empfand. Dieser Summe wegen wendete er sich demnach an seinen Rebhuhn, und es war die erste, die er ihm erlaubt hatte, ihm vorzustrecken, und nach seinem Vorsatze war es die letzte, die der arme Kerl in seinem Dienste auslegen sollte. Die Wahrheit zu sagen, so hatte Rebhuhn seit einiger Zeit keine Anerbietungen von dieser Art mehr gethan; ob er deswegen damit zurückgehalten, damit die Banknote angebrochen werden möchte, oder ob die Not Herrn Jones treiben sollte, nach Hause zu kehren, oder was er sonst für Ursachen dazu haben mochte, das will ich nicht entscheiden.

[66] Siebentes Kapitel.
    Enthält die ganze Kurzweil einer Maskerade.
     
    Unsre Kavaliere langten jetzt in dem Tempel an, woselbst Heydegger, der große
arbiter deliciarum,
der große Oberpriester des Vergnügens, die Herrschaft führt, und, gleich andern heidnischen Priestern, die Opfernden mit der Gegenwart der Gottheit täuscht, wenn im Grunde keine solche Gottheit vorhanden ist.
    Nachdem Herr Nachtigall mit seinem Gefährten ein- oder ein paarmal die Runde gemacht, ließ er ihn bald allein, ging mit einer weiblichen Maske davon und sagte: »Nun Sie einmal hier sind, Herr Jones, müssen Sie ihr eignes Wild selbst aufspüren.«
    Jones fing an, sich mit starker Hoffnung zu unterhalten, daß seine Sophie auf der Maskerade wäre, und diese Hoffnung machte sein Gemüt heiterer als die Illumination, die Musik und die Gesellschaft, obgleich auch diese ziemlich starke Mittel gegen den Spleen sind. Er fing an, jede Maske anzuhäkeln, an der er einige Aehnlichkeit in Größe, im Gange oder Wuchse mit seinem Engel zu erblicken glaubte. Einer jeden suchte er einen witzigen Gedanken zu sagen, um sie zu einer Antwort zu bewegen, aus

Weitere Kostenlose Bücher