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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Und da, wie er meinte, keiner andern Dame seine Wohnung bekannt wäre, als der Madame Fitz Patrick, so begann er sich mit einiger Hoffnung zu schmeicheln, es käme von ihr und er könnte wohl seine Sophie zu sprechen bekommen. Diese Hoffnungen gründeten sich freilich auf nichts; allein da das Betragen der Madame Fitz Patrick, da sie, wie sie doch versprochen, keinen Besuch weiter von ihm angenommen hatte und in Veränderung ihrer Wohnung sonderbar und unerklärlich war, so machte er sich ein wenig Hoffnung, daß sie (er hatte ehedem von ihr gehört, sie habe zuweilen ihre eignen Einfälle) vielleicht willens sei, ihm diesen Dienst auf eine sonderbare Weise zu leisten, den sie ihm auf eine einfachere Art verweigert hatte. Er hatte allerdings um so geräumiger Feld, nach Herzenslust so viel eingebildete Schlüsse zu machen, als ihm beliebte, weil aus einem so grillenhaften und ungewöhnlichen Verfahren sich nichts gewisses oder zuverlässiges schließen ließ. Weil er nun von Natur sanguinischen Temperaments war, so ließ er solchem hier bei dieser Gelegenheit freien Lauf und seine Einbildungskraft schuf sich tausenderlei Wahrscheinlichkeiten, die seine Erwartung, heute Abend seine Sophie zu sehen, begünstigten und unterstützten.
    Lieber Leser, wenn du mir nur irgend etwas gutes wünschest, so will ich's dir dadurch vergelten, daß ich dir ein solches zum Hoffen aufgelegtes Gemüt zu besitzen wünsche; denn nachdem ich über die Lehre von der Glückseligkeit, welche so viele gelehrte Federn beschäftigt hat, vieles gelesen und lange nachgedacht habe, bin ich beinahe dahin gebracht, die größte Glückseligkeit in den Besitz dieses Temperaments zu setzen. Es erhebt uns gewissermaßen über die [62] Gewalt des Glücks und macht uns zu seligen Sterblichen ohne dessen Hilfe. In der That sind die angenehmen Empfindungen, die dieses Temperament uns gibt, weit beständiger und auch weit inniger als jene, welche die blinde Dame uns zuteilt, weil die Natur es weislich so veranstaltet hat, daß jeder wirkliche Genuß, den wir haben, ein wenig Sättigung und Gleichgültigkeit nach sich zieht, damit wir uns demselben nicht so einzig ergeben möchten, daß wir alles andre Streben darüber vernachlässigten. Ich zweifle daher nicht, daß, aus diesem Standpunkte betrachtet, ein eben ernannter königlicher Schatzmeister, ein reichsstädtischer Ratsherr, so lange er noch die Hände unter dem Mantel tragen muß, ein Kardinal, so lange ihm noch der Mund geschlossen ist, und ein Fähnrich, der zum erstenmale auf die Wache zieht, wirklich und wahrer glücklich zu nennen sind als jene, welche schon lange die Ehre, Vorteile und Gewalt dieser respektiven Würden genossen haben.
    Nachdem Herr Jones den Entschluß gefaßt hatte, diesen Abend auf die Maskerade zu gehen, erbot sich Herr Nachtigall, ihn hinzuführen. Zugleich bot auch der junge Herr Mamsell Netten und ihrer Mutter Billets an. Die gute Frau wollte solche aber nicht annehmen. Sie sagte: sie sähe nun wohl eben das Unheil nicht, das einige Leute sich von einer Maskerade vorstellten; aber dergleichen teure Lustbarkeiten schickten sich nur für Personen von großem Stande und Reichtum und nicht für junge Mädchen, die von ihrem Fleiße leben müßten und die höchstens einmal hoffen könnten, einen Krämer oder Professionisten zu heiraten. – »Einen Professionisten!« schrie Nachtigall, »Sie müssen meine Nette nicht so herabsetzen. Kein Graf auf Gottes Erdboden ist zu vornehm für ihre Verdienste.« – »Ophyni! Herr Nachtigall!« antwortete Mutter Miller, »Sie müssen mir dem Mädchen solche Possen nicht in den Kopf setzen. Aber wenn sie nun auch so glücklich wäre,« sagte die Mutter mit einem kleinen Lächeln, »einen vornehmern Mann zu finden, der ebenso uneigennützig dächte wie Sie, so hoffe ich, würde sie gegen seine Großmut erkenntlicher sein, als ihr Herz an solche ausschweifend kostbare Lustbarkeiten zu hängen. Junge Frauenzimmer, die ein großes Vermögen zur Aussteuer bringen, mögen wohl einiges Recht haben, zu verlangen, daß sie von ihrem Eingebrachten einen gewissen Aufwand machen dürfen und über diesen Punkt habe ich von mehr als einem Herrn sagen hören: daß ein Mann zuweilen mit einer armen Braut besser fährt, als mit einer reichen. – Meine Töchter aber mögen heiraten wen sie wollen, so will ich darnach trachten, daß sie ihre Männer glücklich machen sollen – deswegen bitte ich Sie, lassen Sie's gut sein mit den Maskeraden! Ich weiß

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