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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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seinem Ableben an den Bettelstab gebracht. Wir waren unser drei Schwestern. Eine von uns war so glücklich, bald nachher an den Blattern zu sterben. Eine Dame war so gütig, die zweite aus Mitleiden, wie sie sagte, [107] als Gesellschafterin zu sich zu nehmen. Die Mutter dieser Dame hatte bei meiner Großmutter als Hausmagd gedient, und nachdem sie von ihrem Vater, welcher Geld auf Pfänder auslieh, ein großes Vermögen ererbt hatte, ward sie an einen vornehmen Herrn von Stande verheiratet. Sie ging mit meiner Schwester sehr barbarisch um, rückte ihr oft ihren Stand und ihre Armut vor, und nannte sie oft spottweise das gnädige Fräulein, so daß ich glaube, es war vor bloßem Gram, daß sie ein Jahr nach dem Tode meines Vaters gleichfalls starb. Das Glück fand für gut, auf eine bessere Weise für mich zu sorgen, und in einem Monate nach seinem Tode ward ich mit einem Geistlichen verheiratet, der mir schon lange Zeit vorher seine Liebe erklärt hatte, und darüber von meinem Vater sehr unfreundliche Begegnungen erdulden mußte. Denn, obgleich mein armer Vater keiner von uns einen Groschen mitgeben konnte, so erzog er uns doch so weichlich, und hielt uns so vornehm, und wollte auch, daß wir uns selbst so vornehm halten sollten, als ob wir wirklich die reichsten Erbinnen gewesen wären. Allein mein geliebter Ehemann vergaß alle diese unfreundschaftliche Begegnung, und den Augenblick, da wir vaterlose Waisen geworden waren, erneuerte er alsobald seine Anwerbungen um mich auf eine so innige Weise, daß ich, die ich ihn beständig wohl hatte leiden mögen und ihn jetzt höher schätzte, als jemals, ihm bald meine Einwilligung gab. Fünf Jahre lebte ich mit diesem besten Manne in einem Stande vollkommener Glückseligkeit, da er dann – o grausames, grausames Schicksal! das mich von ihm trennte, das mich des liebreichsten Ehemanns und meine Kinder des zärtlichsten Vaters beraubte! – O, meine armen Kinder! Ihr wußtet nicht was ihr an ihm verloren – ich bin beschämt, lieber Herr Jones, über diese weibische Schwachheit; aber ich kann ihn niemals ohne Thränen nennen« – »Vielmehr, Madame,« sagte Jones, »sollte ich mich schämen, daß meine Thränen nicht die Ihrigen begleiten.« – »Wohl! Herr Jones,« fuhr sie fort, »ich war nun zum zweitenmal in weit schlimmern Umständen hinterlassen, als das vorige Mal: neben dem schrecklichen Gram, mit dem ich kämpfen mußte, hatte ich jetzt noch zwei Kinder zu versorgen und war womöglich ärmer denn jemals, als der große, der gute, der glorwürdige Mann, Herr von Alwerth, der einige wenige Bekanntschaft mit meinem Ehemann gehabt hatte, von ungefähr meine dürftigen Umstände vernahm und mir unmittelbar darauf diesen Brief schickte. Hier, lieber Herr Jones – hier ist er, ich habe ihn zu mir gesteckt, um ihn Ihnen zu zeigen. Dies ist der Brief, ich will und muß ihn vorlesen:
     
    Madame,
     
    Ich bezeige Ihnen mein herzliches Beileid über Ihren erlittenen herben Verlust, welchen Sie Ihr eigener Verstand und die vortrefflichen Grundsätze, die Sie von dem so würdigen seligen Manne gelernt haben müssen, besser in stand setzen werden zu ertragen, als aller Rat und aller Trost zu thun vermöchte, die ich Ihnen erteilen könnte. Auch besorge ich bei dem Zeugnis, so ich von Ihnen habe, daß sie die zärtlichste Mutter sind, nicht, Sie werden sich von übermäßigem [108] Grame hinreißen lassen, die Pflichten zu versäumen, welche Sie den armen Kindern schuldig sind, welche jetzt keine andre Unterstützung haben, als Ihre liebreiche Fürsorge.
    Da es indessen sehr begreiflich ist, daß Sie in dieser Ihrer Lage eben nicht sehr fähig sein können, sich um Haushaltungssachen zu bekümmern, so werden Sie mir um so leichter verzeihen, daß ich einer Person aufgetragen habe, Sie zu besuchen, und Ihnen zwanzig Guineen auszuzahlen, die ich Sie bitte, fürs erste anzunehmen, bis ich das Vergnügen haben kann, Ihnen persönlich aufzuwarten und Ihnen zu bezeigen, wie sehr ich bin Madame u.s.w.«
     
    »Diesen Brief, Herr Jones, empfing ich in den ersten vierzehn Tagen nach meinem unersetzlichen Verluste, und innerhalb vierzehn Tagen nachher kam Herr von Alwerth, – der, ich möchte fast sagen, heilige Herr von Alwerth, mich zu besuchen, setzte mich in das Haus, worin Sie mich jetzt sehen, gab mir eine beträchtliche Summe, um es einzurichten, und vermachte mir ein Jahrgehalt von fünfzig Pfund Sterling, die ich seitdem immer richtig empfangen habe. Sie urteilen also

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