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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Wut aus ihrem Versteckplatze hervor. »Seht doch, ich dächte was mir bisse! – Weibsstück! denkt doch! Mag wohl selbst ein Weibsstück sein! Ich bin 'ne honnette Jungfer, und das ist mehr als g'wisse Leut', die reicher sind, von sich rühmen dürfen.«
    Jones, anstatt sich's geradezu angelegen sein zu lassen, die zornigen Hiebe und Stöße der Zofe abzulenken, wie ein Weibermann von mehr Erfahrung gethan haben würde, hielt sich damit auf, sein Gestirne zu verwünschen und sich selbst als den unglücklichsten Mann auf dem Erdboden zu beklagen, und dann gleich darauf sich an die Frau von Bellaston zu wenden und der die ärmlichsten [156] Beteurungen seiner Unschuld vorzusagen. Unter währender Zeit war die Dame wieder zum Gebrauch ihrer Vernunft gelangt, welche ihr ebenso fertig zu Gebote stand als irgend einem Frauenzimmer auf dieser Welt, vorzüglich bei dieser Art Gelegenheiten, und antwortete sonach ganz kalt: »Mein Herr, Sie bedürfen keiner Entschuldigungen, ich sehe schon wer die Person ist. Ich habe die Jungfer nicht sogleich gekannt, nun ich sie aber kenne, fällt mein Argwohn weg, daß unter ihr und Ihnen etwas vorgegangen sein könne, und ich weiß, sie ist eine zu verständige Person, um aus meinem Besuche bei Ihnen etwas Arges zu schließen. Ich bin von jeher ihre Freundin gewesen und es kann sich zeigen, wenn sie will, daß ich's inskünftige noch weit mehr bin.«
    Jungfer Honoria war ebenso versöhnlich als sie leicht in Hitze geriet. Als sie demnach hörte, daß Frau von Bellaston gelindere Saiten rührte, so ging sie gleichfalls ins Piano. – »Ich bin gewiß, 'R Gnaden,« sagte sie, »ich hab' allemal und beständig 'R Gnaden gnäd'ge Güte mit der erkenntlichsten Erkenntlichkeit erkannt. Mei'nr Ehr, ich habe mein Lebtage keine solche gnäd'ge Freundin gehabt, als 'R Gnaden. – Und gewißlich, da ich seh', daß es 'R Gnaden sind, mit der ich sprach, nun möcht' ich mir fast die Zung' abbeißen, für was ich g'sagt habe. – Ich? was arg's denken von 'R Gnaden? Mein'r Ehr! 's würd' sich auch fein schick'n für 'ne Bediente wie ich bin, von einer so großen vornehmen Dame was zu denken! – Ich wollte sagen, wenn ich 'ne Bediente wäre, denn ich bin, leider Gott's, kein's Menschen Bediente jetzunder, und drum kann 'ch wohl selbst sag'n, ich bin 'n recht armes, unglückliches Weibsstück! – Ich hab' so 'ne scharmante Herrschaft verloren.« – Hier hielt es Honoria für diensam, einen Thränenregen fallen zu lassen. »Weine Sie nicht, Kind!« sagte die gutmütige Dame. »Es finden sich vielleicht Mittel und Wege, ihr alles wieder gut zu machen. Kommen Sie nur morgen früh zu mir.« Sie nahm dann ihren Fächer auf, der auf die Erde gefallen war, und ging, ohne nur mit einem Blick nach Jones hinzusehen, ganz majestätisch aus dem Zimmer; denn es liegt eine Art von Dignität in der Frechheit gewisser Damen von hohem Stande, welche geringere Frauen sich vergebens bestreben, in Umständen von dieser Natur zu erreichen.
    Jones folgte ihr nach die Treppen hinunter und wollte ihr öfter die Hand reichen, die sie durchaus nicht annahm, und sie setzte sich in ihre Sänfte, ohne im geringsten darauf zu achten, daß er dastand und Bücklinge vor ihr machte.
    Nachdem er wieder hinaufgekommen, erfolgte ein langer Dialog zwischen ihm und der Jungfer Honoria, derweil sie wieder ihre Kleider in Ordnung brachte, welche hinter dem Bette ein wenig aus den Falten gekommen waren. Die Materie dieses Gesprächs war seine Untreue gegen ihr junges Fräulein, worüber sie sich mit vieler Bitterkeit des Breitern herausließ. Endlich aber fand Jones Mittel, sie zu besänftigen, und nicht nur das, sondern auch ein Versprechen des unverbrüchlichsten Stillschweigens von ihr zu erhalten, und daß sie sich des nächsten Morgens alle Mühe geben wollte, Sophie aufzufinden [157] und ihm fernere Nachricht von dem Verfahren des Junkers zu überbringen.
    Solchergestalt endigte sich dies unglückliche Abenteuer zur Zufriedenheit der einzigen Jungfer Honoria, denn ein Geheimnis (wie einige meiner Leser aus eigner Erfahrung vielleicht einräumen werden) ist oft ein sehr einträglicher Besitz, und zwar nicht nur für diejenigen, welche es treu bewahren, sondern zuweilen auch für solche Leute, die es herumflüstern bis es zu aller Ohren gelangt, ausgenommen der unwissenden Person, welche für die vermeinte Geheimhaltung desjenigen bezahlt, was jedermann und öffentlich bekannt ist.

Achtes Kapitel.
    Kurz und lieblich
.
     
    Ungeachtet

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