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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Erleichterung schaffen können? Kann die vollkommenste Bewunderung, die aufmerksamste Gefälligkeit, die feurigste Liebe, die herzinnigste Zärtlichkeit, die unumschränkteste Ergebung in Ihren Willen, Ihnen Ersatz für alles das sein, was Sie meiner Glückseligkeit aufopfern müßten? Können Sie es, so fliegen Sie, meine ewig einzig Geliebte, in diese Arme, welche beständig ausgestreckt sind Sie zu empfangen und zu beschützen. Kommen Sie! Kommen Sie! Ob allein oder mit allen Reichtümern der Welt, das ist für mich kein Unterschied, der nur eines Gedankens wert wäre. Soll aber hingegen bloß die Weisheit gebieten, und sagt Ihnen diese nach der reiflichsten Ueberlegung, das Opfer sei zu groß – – sehn Sie keinen andern Weg übrig, sich mit Ihrem Herrn Vater auszusöhnen und die Ruhe Ihres mir so teuren Herzens herzustellen, als wenn Sie mir entsagen, so, ich beschwöre Sie, vertilgen Sie mich auf ewig aus Ihrem Gedächtnis, fassen Sie einen mutigen Entschluß und lassen Sie das Mitleiden mit meinem Kummer in Ihrer zarten Brust verstummen. Glauben Sie mir, himmlisches Mädchen, ich liebe Sie so aufrichtiglich mehr als mich selbst, daß mein großer, einziger Endzweck auf Ihre Glückseligkeit gerichtet ist. Mein erster Wunsch (O, daß das Schicksal ihn mir nicht gönnen will!) war, und verzeihen Sie mir, daß ich's sage, ist noch, Sie jeden Augenblick als die glücklichste Frau zu sehen; mein zweiter Wunsch ist, zu hören, daß Sie es sind. Kein Wehe aber reicht an das meinige, solange ich denken muß, Sie haben auch nur einen unruhigen Augenblick demjenigen zuzuschreiben, welcher ist und ewig bleibt
    Teuerstes Fräulein
    in jedem Sinn und zu jeder Bestimmung
    Ihr eigenster
Thomas Jones

     
    Was Sophie sagte oder that, oder was sie von diesem Briefe dachte, ob sie ihn mehr als einmal las, oder wie oft, das alles wollen wir der Einbildung des Lesers überlassen. Die Antwort darauf bekommt er vielleicht noch einst zu sehen, nur jetzt nicht; unter andern Ursachen auch wegen dieser, daß sie für jetzt keine schrieb, und auch dies hatte seine guten Gründe, von denen einer war, daß sie weder Papier, Feder noch Tinte hatte.
    Des Abends, als Sophie saß und über den Brief nachdachte, den sie empfangen hatte, oder auch vielleicht über etwas andres, störte sie ein heftiges Gelärm, das von unten herauf erscholl, in ihren Betrachtungen. Dieser Lärm war nichts mehr und nichts weniger als ein tüchtiger Haderkampf zwischen zwei Personen. Eine von den streitenden Parteien erkannte sie sehr bald an der Stimme für ihren Vater. Sie bemerkte aber nicht sogleich, daß die Oberquinte eine Pfeife aus der Orgel ihrer gnädigen Tante von Western wäre, welche eben in der Stadt angelangt und von einem ihrer [185] Bedienten, welcher an den Herkulessäulen vorgesprochen, erfahren hatte, wo ihr Bruder wohnte, und also geradeswegs vor seiner Thüre angefahren war.
    Wir wollen uns sonach für jetzt bei Sophie beurlauben und nach unsrer gewöhnlichen guten Lebensart bei Ihro Gnaden, Fräulein von Western, unsre Aufwartung machen.

Viertes Kapitel.
    In welchem Sophie aus ihrer Gefangenschaft befreit wird.
     
    Der Junker und der Herr Pfarrer Schickelmann (denn der Gastwirt hatte eben anderwärts zu thun) saßen und schmauchten ihre Pfeifen, als die Ankunft der Dame zuerst angesagt ward. Der Junker hörte nicht so bald ihren Namen nennen, als er eiligst hinunterlief, um sie die Treppen hinaufzuführen, denn er war ein strenger Beobachter von dergleichen Zeremonien, gegen seine Schwester besonders, vor welcher er mehr in Furcht stand als vor irgend einem lebendigen Geschöpfe, ob er es gleich niemals gestehen wollte, oder es vielleicht auch selbst nicht einmal wußte.
    Ihro Gnaden, Fräulein von Western, nachdem sich Dieselben bei ihrer Ankunft in dem Speisesaale aufs Kanapee geworfen hatten, begannen mit folgender Rede: »Nein, gewißlich, solch eine unausstehliche Reise hat noch wohl kein Mensch in der Welt gehabt! Ich denke, die Heerstraßen werden von Tag zu Tag schlechter, je mehr Geld das Land zu ihrer Besserung verwilligt und je mehr man Wegegeld ausgeben muß. Aber ums Himmels willen!
mon Frère,
wie haben Sie sich in ein so abscheuliches Loch verkriechen können? Keine Person von Stande, das will ich wohl schwören, hat wohl noch jemals einen Fuß hierhergesetzt.« – »Wüßte doch nicht!« sagte der Junker, »die Zimmer sind noch gut, mein' 'ch. Der Wirt aus 'n Herkulessäulen hat's mir zugewiesen. Weil er 'n großen

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