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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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ein Versprechen gebrochen? Oder haben Sie mich von meiner Wiege an jemals auf einer Falschheit betroffen?« – »Nun, seh' man's, Fieke,« versetzte der Vater, »Falschheit hin, Falschheit her! Ich hab' nun einmal mein'n Kopf auf diese Heirat gesetzt, und hab'n sollst 'n. Mein Seele! das sollst; mein Seel', wenn 'n nicht sollst! Und wenn d'ch auch den Tag drauf ersäufst, oder aufhängst.« Sowie er diese Worte sagte, ballte er die Faust, faltete die Stirn, biß sich die Lippen und donnerte so laut, daß die arme, betrübte, erschrockene Sophie zitternd in einen Sessel zurücksank, und wäre nicht bald eine Thränenflut ausgebrochen und hätte ihr Luft gemacht, so hätte es sehr schlimm gehen können.
    Western sah die beweinenswürdige Gemütsverfassung seiner Tochter mit ebensowenig Bedauern oder Rührung, als ein alter Gefangnenwärter die Seelenqual einer zärtlichen Ehefrau sieht, die von ihrem verurteilten Ehemanne das letzte Lebewohl nimmt, oder vielmehr er sah mit ebensowenig Rührung auf sie herab, wie sich in der Seele eines ehrlichen nährigen Krämers erhebt, welcher seinen Schuldner um etliche zwanzig bis dreißig Thaler nach dem Schuldturme schleppen sieht, welche Schuld, so rechtmäßig sie sein mag, doch der Kerl so ruchlos ist, nicht bezahlen zu können. Oder, um der Sache so nahe als möglich zu kommen, er fühlte eben dieselben Gewissensbisse, wie die Aebtissin eines Freuden-Töchterstifts, wenn eine arme unschuldige Novizin, die sie in ihr Garn gelockt hat, ihr zu Füßen fällt, wenn sie ihr zum erstenmal andeutet, sie soll, wie es genannt wird, Gesellschaft annehmen. In der That würde dies Gleichnis ganz genau passen, wenn es nicht da hinkte, daß die Kupplerin bei dem was sie thut ihren Vorteil hat und der Vater, ob er gleich in seiner Verblendung anders denkt, doch im Grunde gar keinen dabei haben kann, wenn er seine Tochter zu fast ebenso schändlichen Greueln zwingen will.
    In dieser Verfassung ließ er seine arme Sophie, und als er mit einer sehr pöbelhaften Anmerkung über die Wirkung der Zähren fortging, verschloß er das Zimmer und suchte seinen Pfarrer Schickelmann auf, der alles zum Besten des Fräuleins sagte, was er durfte, welches, ob es wohl nicht alles sein mochte, was seine Pflicht erheischt hätte, doch hinreichte, den Junker in eine heftige Wut zu bringen und ihm manche unanständige Anmerkung über den ganzen Stand der Geistlichkeit abzulocken, die wir aber deswegen nicht zu Papier bringen mögen, weil wir viel zu große Ehrerbietung vor ihrem heiligen Amte haben.

[182] Drittes Kapitel.
    Was Sophien während ihres Zimmerarrestes begegnete.
     
    Die Wirtin des Hauses, in welchem Herr Western Zimmer bezogen, hatte längst angefangen, von ihren Gästen eine seltsame Meinung zu hegen. Da sie gleichwohl erfahren hatte, daß der Junker ein Mann vom großem Vermögen wäre und sie auch besorgt gewesen war, sich ihre Zimmer übermäßig teuer bezahlen zu lassen, so hielt sie es nicht für diensam, gar zu voreilig zu sein. Denn ob ihr gleich die Einsperrung der armen Sophie ein wenig zu Herzen ging, von deren sanfter Gemütsart und Leutseligkeit die Hausmagd einen sehr günstigen Bericht erstattet hatte, welchen alle Bediente des Junkers bestätigten, so lag ihr doch ihr eigner Vorteil noch mehr am Herzen, um jemand vor den Kopf zu stoßen, von dem sie merkte, wie sie sagte, daß es ein großer Hastkopf von Herrn wäre.
    Obgleich Sophie nur wenig aß, so wurden ihr doch ihre Mahlzeiten regelmäßig aufgetragen. Wirklich, glaube ich, hätte sie nach irgend einer Rarität gelüstet, der Junker, so erzürnt er über sie war, würde weder Mühe noch Kosten gespart haben, sie für sie aufzutreiben, weil er, so seltsam es auch einigen meiner Leser vorkommen mag, wirklich mit seinem ganzen Herzen an seiner Tochter hing und das größte Vergnügen seines Lebens darin fand, wenn er ihr irgend eine Freude machen konnte.
    Als die Stunde zum Mittagessen herbeikam, trug ihr der schwarze Jakob eine Poularde hinauf, und der Junker selbst (denn er hatte geschworen, den Schlüssel nicht aus den Händen zu geben) blieb vor der Thüre stehen. Als Jakob die Schüssel aufsetzte, fielen einige Komplimente zwischen ihm und Sophie vor, denn er hatte sie nicht gesehen, seitdem sie das Landgut verlassen hatte, und sie begegnete jedem Bedienten mit mehr Achtung, als manche Leute solchen Personen begegnen, die nur um ein weniges geringer sind als sie selbst. Sophie wollte anfangs, er sollte die Poularde nur

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