Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
was er sagte, als auf alles übrige, was auf der Bühne vorging.
Die ganze Nacht unterstand er sich nicht zu Bett zu gehen aus Furcht vor dem Geiste; und noch viele Nächte nachher stand ihm zwei oder drei Stunden der Angstschweiß auf der Stirne, ehe er sich schlafen legte, und oft wachte er auf in vollem Schrecken und schrie: »Ach, daß Gott erbarme, da ist's!«
Fußnoten
1 Sie meinte vielleicht die Banknote von hundert Pfund.
[196] Sechstes Kapitel.
In welchem die Geschichte genötigt ist, hinter sich zu sehen.
Dem besten Vater ist es fast unmöglich, eine genaue Unparteilichkeit unter seinen Kindern zu beobachten, selbst auch dann nicht, wenn keine hervorragenden Verdienste einen Unterschied in seiner Liebe verursachen; aber wirklich kann man es auch einem Vater kaum übel nehmen, wenn ein solcher Vorzug an Verdienst seine Vorliebe bestimmt.
Da ich alle verschiednen Personen in dieser Geschichte als meine Kinder betrachte, so muß ich auch bekennen, daß ich eben eine solche Vorliebe für meine Sophie habe, und dafür hoffe ich wird mir der Leser auch ebendieselbe Entschuldigung zu statten kommen lassen, nämlich den großen Vorzug ihres Charakters.
Diese außerordentliche Zärtlichkeit, die ich nun einmal für meine Heldin habe, erlaubt mir's niemals, sie etwas lange ohne meinen größten Widerwillen aus den Augen zu lassen. Deshalb möchte ich jetzt gern zurückkehren und begierig nachfragen, wie es dem lieben Kinde geht, seitdem sie nicht mehr bei ihrem Vater im Hause ist, wenn ich nicht genötigt wäre, vorher erst beim Herrn Blifil einen kurzen Besuch zu machen.
Herr Western hatte in der ersten Verwirrung, in welche sein Kopf durch die unvermutete Nachricht von seiner Tochter geworfen worden und in der ersten Hast, ihr nachzureisen, nicht einmal daran gedacht, Herrn Blifil von dieser Entdeckung Nachricht zu senden. Inzwischen war er noch nicht weit weg, als er sich darauf besann, und des Endes beim ersten Kruge, den er erreichte, stillhielt und einen Boten abfertigte, Herrn Blifil zu hinterbringen, daß er seine Sophie wiedergefunden habe und daß er fest entschlossen sei, ihm solche alsobald antrauen zu lassen, wenn er ihm in die Stadt nachkommen wollte.
Da die Liebe, welche Blifil für Sophie empfand, von jener heftigen Art war, die durch nichts als etwa durch den Verlust ihres Vermögens oder einen dergleichen ähnlichen Zufall vermindert werden konnte, so war seine Begierde nach dieser Verbindung durch ihre Flucht keineswegs verändert worden, ob er gleich nicht umhin konnte, diese Flucht auf seine eigne Rechnung zu schreiben. Er nahm also dies Anerbieten gar willig an. In der That hatte er bei der Verheiratung mit dem Fräulein die Absicht, noch außer dem Geize eine sehr mächtige Leidenschaft zu befriedigen, und diese war sein Haß. Denn er war der Meinung, daß der Ehestand ebenso gute Gelegenheit gäbe, dem Hasse ein Genügen zu thun als der Liebe, und diese Meinung wird durch die Erfahrung höchst wahrscheinlich gemacht. Wenn wir, die Wahrheit zu sagen, nach dem Betragen verheirateter Leute gegen einander urteilen dürfen, so sind wir so ziemlich berechtigt zu schließen, daß der größeste Haufen bei seiner Eintracht in allen Dingen, die Herzen ausgenommen, sich es vorsetzt, der ersten dieser Leidenschaften gütlich zu thun.
Unterdessen stand ihm eine Schwierigkeit im Wege und diese [197] machte ihm Herr Alwerth. Diesem edlen Mann, als er durch Sophiens Entfernung (denn weder ihre Flucht noch deren Ursache konnte vor ihm verhehlt werden) die große Abneigung sah, die sie gegen seinen Neffen hatte, begann es herzlich leid zu thun, daß er die Sachen so weit getrieben hatte. Er war keineswegs einerlei Meinung mit solchen Eltern, welche es bei ehelichen Verbindungen für ebenso überflüssig halten, ihre Kinder um Rat zu fragen, als wenn sie etwa willens sind eine Spazierfahrt zu machen, und oft nur durch die Gesetze oder durch den äußerlichen Wohlstand wenigstens abgehalten werden, die äußerste Gewalt zu brauchen. Weil er im Gegenteil vielmehr den Ehestand als eine sehr heilige Stiftung ehrte, so hielt er jede vorläufige Behutsamkeit für nötig, um solchen heilig und unverletzlich zu bewahren und machte den sehr vernünftigen Schluß, dies zu bewirken sei kein sichrer Weg, als ihn auf vorhandne gegenseitige Zuneigung zu begründen.
Blifil heilte zwar seinen Oheim sehr bald von allem Aerger über vorgegangenen Betrug durch eine Menge von Versicherungen und Beteurungen, daß
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