Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
endlich glücklicherweise erfahren, wo er sich aufhält;« – nachdem sie dem Grafen den Ort seines Aufenthalts gesagt hatte, fügte sie hinzu: »Ich habe gedacht, lieber Graf, ob (denn für eine persönliche Satisfaktion ist Ihnen der Kerl zu gering), ob es Ihnen nicht thunlich sein möchte, den Zeisig auf eine oder die andre Art zum Seedienst wegnehmen und auf ein Schiff werfen zu lassen. Diesem Projekte stehen weder Gesetze noch Gewissen im Wege; denn ich versichre Sie, der Kerl ist, trotz der artigen Kleider, worin er steckt, weiter nichts als ein Vagabund, und gehört mit Fug und Recht zu dem müßigen Gesindel, welches nach [202] der Verordnung zum Seedienst gepreßt werden soll; und was die Einwendungen von Seiten des Gewissens betrifft, so ist es doch wohl eins der verdienstlichsten Werke, ein junges Frauenzimmer vor solchem Unglück zu bewahren; und in Ansehung des Burschen selbst, wofern er nicht bei meiner Kousine seinen Zweck erreicht (was der Himmel verhüten wird!), so kann es sehr wahrscheinlicherweise das Mittel sein, ihn vor dem Galgen zu bewahren und kann ihn auf einen Weg bringen, worauf er auf eine ehrliche Art sein Glück machen kann.«
Der Graf Liebegrimm dankte der gnädigen Dame gar herzlich für den Anteil, den sie an einer Angelegenheit zu nehmen geruhte, von deren Ausgang seine ganze künftige Glückseligkeit völlig abhänge. Er sagte, noch sähe er nicht, was dran hindern konnte, den Kerl, auch wider seinen Willen, in des Königs Seedienste zu bringen, und er wolle drauf denken, daß es geschehen sollte. Er empfahl hierauf der Dame sehr dringend, ihm aufs baldigste die Ehre zu erzeigen und seine Vorschläge an die Familie zu bringen, der er, wie er sagte,
Carte blanche
geben, und über sein ganzes Vermögen solche Verfügungen eingehen wolle, die die Familie für zuträglich erachten würde. Und nachdem er eins und das andre Hohelied von Sophie angestimmt hatte, nahm er seinen Abschied und ging fort; vorher aber ward es ihm erst noch einmal eingeschärft, den Jones nicht zu vergessen und keine Zeit zu verlieren, um seine Person an einen Ort zu bringen, wo es nicht länger in seinem Vermögen stünde, neue Versuche zum Untergange des jungen Fräuleins zu machen.
Denselben Augenblick, da die Tante Western in ihrer Wohnung angekommen, ward eine Karte mit Empfehlung an Frau von Bellaston gesandt, die solche nicht so bald empfing, als sie mit der Ungeduld eines Verliebten zu ihrer Kousine flog und sich über die herrliche Gelegenheit nicht wenig freute, die sich über alles Hoffen von selbst darbot; denn die Aussicht war ihr viel angenehmer, die Vorschläge einem Frauenzimmer von Verstande, und die dabei die Welt kennte, zu thun, als einem Manne, dem sie die Ehre erwies, ihn einen Hottentoten zu nennen; obgleich, in der That, sie von ihm keine abschlägige Antwort besorgte.
Die beiden Damen machten sich nach einigen kurzen vorläufigen Zeremonien alsobald an das Geschäft, welches werklich fast ebensobald geschlossen als eröffnet war; denn Tante Western hatte kaum den Namen eines Grafen gehört, als ihre Wangen vor Freude glühten. Als sie aber gar noch von der Heftigkeit seiner Liebe, der Ernstlichkeit seiner Vorschläge und von der Großmut seines Anerbietens benachrichtigt war, da äußerte sie ihre völlige Zufriedenheit in den deutlichsten Ausdrücken.
Im Fortgang ihres Gesprächs fiel die Rede auf Jones, und die Kousinen beklagten beide sehr bitterlich die unglückliche Liebe, welche Sophie, wie sie alle beide gestanden, für den jungen Menschen hätte; und Fräulein von Western schob wieder die alleinige Schuld auf das thörichte Benehmen ihres Bruders. Sie schloß gleichwohl endlich damit, daß sie sich auf den richtigen Verstand ihrer Nichte [203] verließe; »denn,« sagte sie, »ob sie gleich dieser ihrer Liebe Blifils wegen nicht entsagen will, so zweifle ich doch nicht, wird sie bald dahinzubringen sein, eine bloße Inklination den ordentlichen Anwerbungen eines vornehmen Herrn bei Hofe aufzuopfern, der sie zu einer Reichsgräfin macht und ihr ansehnliche Güter verschreibt. Denn in der That,« fügte sie hinzu, »muß ich Sophien die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu gestehen, daß Blifil eine so scheußliche Art von Kerl ist, wie die Landjunker alle sind, wie Sie wissen, Bellaston; und daß er nichts hat, was ihn empfehlen könnte, als einzig und allein seinen Reichtum.«
»Ja so!« sagte Frau von Bellaston, »so wundre ich mich so sehr eben nicht über meine Kousine.
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