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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Denn soviel kann ich Sie versichern, dieser Jones ist ein sehr angenehmer Bursche und hat eine Tugend an sich, die, wie die Männer sagen, eine große Empfehlung bei uns Weibern sein soll. Was meinen Sie wohl, Aennchen! – Ich werde Ihnen gewiß was zu lachen geben; ja, ich kann's selbst kaum vor Lachen erzählen! – Wollen Sie wohl glauben, daß das Bürschchen die Dreistigkeit gehabt hat, mir einen Liebesantrag zu thun? Nun, sollten Sie abgeneigt sein es zu glauben, so ist hier Zeugnis genug, Siegel und Briefe, seine eigne Handschrift, ich versichre Sie.« Hiermit gab sie ihrer Kousine den Brief mit dem Heiratsantrage, welchen der Leser, wenn er begierig sein sollte ihn zu sehen, bereits im fünfzehnten Buche dieser Geschichte aufbewahrt finden wird.
    »Auf mein Wort, Sie setzen mich in Erstaunen!« sagte die Western. »Das ist wirklich ein Meisterstück von Dreistigkeit! Wenn Sie mirs erlauben, so kann ich vermutlich von diesem Briefe einen guten Gebrauch machen.« – »Sie haben völlige Freiheit,« erwiderte die Bellaston, »ihn zu gebrauchen, wozu Sie wollen. Indessen wollte ich doch nicht gerne, daß Sie ihn jemand anderm zeigten, als Ihrer Nichte Western, und auch ihr
nur
, wenn es dazu eine gute Gelegenheit gibt.« – »Recht wohl! und wie machten Sie's mit dem Kerl?« erwiderte Tante Western. »Nun, nicht wie mit einem Ehemanne,« sagte die Dame. »Ich bin nicht verheiratet, versichre ich Sie, meine Liebe. Sie wissen's Aennchen, in diesem Himmel auf Erden bin ich einmal gewesen und
einmal
ist für ein billiges Frauenzimmer schon genug.«
    Dieser Brief, meinte Frau von Bellaston, würde Jones Wagschale bei Sophien gewiß ganz in die Höhe ziehn, und was sie so keck machte, ihn wegzugeben, das war teils die Hoffnung, daß er bald aus dem Wege geschafft sein würde und teils, daß sie das Zeugnis der Jungfer Honoria nicht zu fürchten hätte, welche, nachdem sie solcher ein wenig auf die Zähne gefühlt hatte, ihr Ursache zu glauben gab, sie würde allemal zu jedem Zeugnis bereit und willig sein, das sie nur von ihr verlangen möchte.
    Vielleicht aber wundert sich der Leser, warum Frau von Bellaston, welche Sophie in ihrem Herzen haßte, sich es so emsig angelegen sein ließ, eine Verbindung zustandezubringen, welche für dieses junge Frauenzimmer so ungemein vorteilhaft war. Nun möchte [204] ich solchen Leser bitten, mit gehöriger Aufmerksamkeit in der menschlichen Natur nachzuschlagen, beinahe auf den letzten Seiten, so wird er daselbst in kaum lesbaren Buchstaben finden, daß Frauenzimmer, ungeachtet des widersinnigen Betragens der Mütter und Tanten etc., es in Heiratssachen wirklich für ein so großes Unglück halten, wenn in der Liebe ihre eigne Neigung gezwungen wird, daß sie sich einbilden, sie dürfen ihre Feindseligkeit niemals höher treiben, als gegen Widersacher von dieser Art; ferner wird er nicht weit von dieser Stelle geschrieben finden, daß ein Frauenzimmer, das sich einmal in dem Besitz einer Mannsperson beglückt gefühlt hat, gern dem Satan auf halbem Weg entgegengehen wird, wenn sie nur verhindern kann, daß kein andres Frauenzimmer eben dieses Glücks genieße.
    Will er sich an diesen Ursachen nicht genügen lassen, so gestehe ich freimütig, daß ich keine andern Gründe für das Betragen dieser Dame weiß, es sei denn, daß wir annehmen wollten, sie wäre von dem Grafen von Liebegrimm bestochen worden, wozu ich gleichwohl meinerseits keine wahrscheinliche Vermutung sehe.
    Dies war nun gerade die Affaire, welche Ihro Gnaden Fräulein Tante von Western im Begriff standen, bei Sophie durch einige vorläufige Abhandlungen über die Thorheit der Liebe und über die Weisheit, sich auf eine gesetzmäßige Art gegen hohe Miete unzüchtigen Begierden preiszugeben – einzuleiten, als ihr Bruder und Blifil so unangemeldet zu ihr herein traten; und hieraus entsprang alle die Kälte, womit sie Herrn Blifil begegnete, welche zwar der Junker, nach seiner gewöhnlichen Art, auf eine falsche Ursache schob, während sie Herrn Blifil (der wirklich ein viel schlauerer Mann war) einen Argwohn von der wirklichen Wahrheit einflößte.

Neuntes Kapitel.
    Jones macht einen Besuch bei Madame Fitz Patrick.
     
    Dem Leser wird es vermutlich jetzt angenehm sein, mit uns zum Herrn Jones zurückzukehren, welcher zur bestimmten Stunde bei Madame Fitz Patrick seine Aufwartung machte. Vorher aber, ehe wir die Unterredung erzählen, welche dabei vorfiel, wird es unserer gewöhnlichen Metode zufolge nicht

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