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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Ziererei und Verstellung entfernt ist.«
    Hier seufzte Blifil bitterlich, worauf Western, dem die Augen über das Lob, das seiner Sophie erteilt ward, voller Thränen standen, mit Schluchzen ausrief: »Sei nicht so lämmerherzig! Sollst sie ja hab'n! Teufel hol' mich, sollst sie hab'n und wenn sie auch noch zwanzigmal so gut wär'!«
    »Vergessen Sie nicht, Herr Nachbar, daß Sie mir versprochen haben, Sie wollten mich aushören, ohne mich zu unterbrechen,« sagte Herr Alwerth. – »Nun, ich will's auch thun!« antwortete Western. »Kein Wörtchen will 'ch wieder sagen.«
    »Nun, mein lieber Freund,« fuhr Alwerth fort, »ich habe mich solange bei den Verdiensten dieses Fräuleins aufgehalten, teils, weil ich wirklich in den Charakter verliebt bin, teils auch, damit es nicht scheinen möge, als ob ihr Vermögen (denn in dieser Rücksicht ist bei dieser Verbindung wirklich der Gewinn auf Seiten meines Neffen) mein hauptsächlichster Beweggrund gewesen wäre, warum ich den Vorschlag so begierig ergriffen habe. In der That wünschte ich herzlich, daß ein solches edles Kleinod in meine Familie kommen möchte. Allein ob ich mir gleich selbst viel Gutes wünsche, so möchte [220] ich's doch nicht stehlen oder mir Gewalt und Ungerechtigkeit zu schulden kommen lassen, um zu seinem Besitz zu gelangen. Nun ist es aber eine so ungerechte und tyrannische Handlung, ein Frauenzimmer wider ihren Willen und wider ihre Neigung zu einer Heirat zu zwingen, daß ich wünschte, die Gesetze des Landes könnten dergleichen völlig Einhalt thun. Jedoch ein richtiges Gewissen unterscheidet immer zwischen Recht und Unrecht, auch in solchen Staaten, wo die Einrichtung am fehlerhaftesten ist, und macht sich selbst die Gesetze, die die nachlässigen Gesetzgeber zu machen vergessen haben. Und dies ist zuverlässig einer von den Fällen, denn ist es nicht grausam, ja selbst gottlos, ein Frauenzimmer wider ihren Willen in einen Stand zu zwingen, in welchem sie von ihrer Aufführung vor dem höchsten und furchtbarsten Richterstuhle, und zwar auf Gefahr ihrer Seele Red' und Antwort zu geben hat? Die Pflichten dieses Standes mit erforderlicher Treue zu erfüllen, ist keine so leichte Sache, und wollen wir diese Bürde einem Weibe aufladen, wenn wir ihr zu gleicher Zeit allen den Beistand entziehen, durch welche sie fähig werden kann, sie zu tragen? Wollen wir ihr ihr Herz selbst entreißen, indem wir ihr Pflichten aufladen, denen kaum ein ungeteiltes Herz gewachsen ist? Ich muß hier so deutlich sprechen als möglich. Ich halte dafür, Eltern, welche also verfahren, machen sich aller der Vergehungen teilhaftig, die ihre Kinder sich nachher zu schulden kommen lassen, und müssen also notwendig erwarten, vor einem gerechten Richter an ihrer Bestrafung teilzuhaben. Aber gesetzt auch, sie könnten dies vermeiden; gütiger Gott! gibt es denn wohl eine Seele, die den Gedanken ertragen könnte, sie habe zur Verdammung ihrer Kinder beigetragen?«
    »Aus diesen Ursachen, mein liebster Herr Nachbar, muß ich, weil ich sehe, daß die Neigungen dieses jungen Fräuleins höchst unglücklicherweise meinem Neffen entgegenstehen, alle ferneren Gedanken an die Ehre, die Sie ihm zudachten, ablehnen; ob ich Ihnen gleich dabei die Versicherung gebe, daß ich dafür beständig dankbar und erkenntlich bleiben werde.«
    »Nun gut!« sagte Western und der Gift spritzte ihm aus den Lippen, sobald sie aufgestöpselt wurden. »Sie können nicht sagen, daß ich's nicht ausgehört hab'! Und nun werd'n Sie auch mich aushören, und wenn 'ch nicht Wort vor Wort widerlegen will, nun so will 'ch's zugeben, daß 's mit 'r ganzen Sach' nichts wird, da! Hauptsächlich und zuerst antworten Sie mir uf eine Frage, bitt' 'ch: Hab' ich sie nicht gezeugt? hab' ich sie nicht gezeugt? Was sagen Sie dazu? 's ist freilich ein kluger Vater, der sein eigen Kind kennt, sagt man, aber ich weiß doch, daß ich die besten Brief und Siegel hab'; denn 'ch habe sie groß gefüttert. Doch 'ch denke wohl, Sie mir zugeb'n, daß 'ch ihr Vater bün! und wenn 'ch das bün, muß ich denn nich mein eigen werd'n Kind regieren? Ich frag' Sie das, muß ich nicht mein eigen Kind regieren? Und wenn ich's in andern Stück'n regieren muß, so muß ich's doch wohl notwendig auch in däm Stück regieren, das ihr am meist'n wicht'g ist. Und was will 'ch denn, was verlang' ich denn darmit? Verlang' ich [221] wohl, daß s'e vor mich was thun soll? daß s'e mir was geb'n soll? – Das ist so kunträry, daß 'ch ja nur

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