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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Assemblee, von der Assemblee bis zu ihrem Gemache, und sehr selten entflieht sie nur eine Jahreszeit dem Rachen eines oder des andern Rüden. Denn wenn ihre Freunde sie vor einigen beschützen, so geschieht es bloß, um sie einem andern nach ihrer eignen Wahl zu übergeben, der ihr oft noch unangenehmer ist, als einer von allen den Uebrigen. Unterdessen gehen ganze Herden und Triften von andern Frauenzimmern sicher umher, werden kaum bemerkt, wandern frei durch die Promenaden, Opern und Komödienhäuser, Kaffee-, Thee- und Spielgesellschaften, und ob sie gleich, die meisten wenigstens, am Ende ebenfalls verschlungen werden, so treiben sie doch eine lange Zeit erst ihren Mutwillen in Freiheit, ohne Zwang und Einschränkung.
    Von allen jenen raren Jagdstücken erduldete keines mehr von dieser Verfolgung, als die arme Sophie. Ihr feindseliges Gestirn, nicht zufrieden mit alledem, was sie Blifils wegen erlitten hatte, erweckte ihr jetzt einen neuen Verfolger, der darnach aussah, daß er sie nicht weniger quälen würde, als der andre vielleicht gethan hatte; denn obwohl ihre Tante nicht so heftig verfuhr, so war sie doch ebenso emsig und anhaltend im Placken und Plagen, als ihr Vater vorhin gewesen war.
    Die Bedienten waren nach dem Mittagessen nicht so bald fortgegangen, als die gnädige Tante von Western, welche Sophien die Sache angebracht hatte, ihr die Nachricht gab, sie erwarte den Grafen noch denselben Nachmittag, und wäre gesonnen, die erste Veranlassung wahrzunehmen, um sie mit ihm allein zu lassen. »Wenn Sie das thun,
ma Tante,
« antwortete Sophie, »so nehm' ich die erste Veranlassung wahr, ihn ganz allein zu lassen!« – »Wie, gnädiges Fräulein!« rief die Tante, »ist dies der Dank für meine Güte, daß ich Sie aus der Gefangenschaft in Ihres Vaters Hause befreit habe?« – »Gnädigste Tante,« sagte Sophie, »Sie wissen, die Ursache dieser Gefangenschaft war eine Weigerung, den Willen meines Vaters zu thun und einen Mann anzunehmen, den ich verabscheute, und wollte wohl meine liebste Tante, die mich aus dieser Not gerettet hat, mich in eine andre versetzen, die ebenso schlimm wäre?« – »Und meinen denn das gnädige Fräulein,« antwortete die ungnädige Tante, »daß zwischen dem Hochgebornen Herrn Grafen und dem Strohjunker von Blifil kein Unterschied sei?« – »Nach meiner Meinung nur ein sehr geringer,« versetzte Sophie, »und wenn ich dazu verdammt wäre, einen von beiden wählen zu müssen, so würde ich mir gewiß das Verdienst machen, mich dem Gutbefinden meines Vaters aufzuopfern.« – »Also seh' ich wohl,« sagte die Tante, »hat mein Gutbefinden bei dem gnädigen Fräulein nur sehr wenig Gewicht! Doch die Betrachtung soll mich nicht irre machen. Ich handle nach noblern Grundsätzen. Die Rücksicht auf die Erhöhung meiner Familie, und dich selbst weiter zu annobilitieren, ist es, die mich in Thätigkeit setzt. Hast du denn gar keinen Sinn für die Ambition? Liegt kein Reiz in dem Gedanken, eine Grafenkrone [225] an deiner Karosse zu führen?« – »Nicht im geringsten, auf meine Ehre!« sagte Sophie. »Ein Nadelkissen an meiner Kutsche würde mir grade ebenso lieb sein.« – »Sprich mir das Wort Ehre nicht wieder aus!« schrie die Tante. »Es schickt sich sehr schlecht in dem Munde einer solchen niedrigen Dirne. Es thut mir leid, Niece, daß du mich zu dergleichen Worten zwingst, aber ich kann deine kriechende Denkungsart nicht ausstehn; du hast kein Blut von den edlen von Westerns in deinen Adern. Aber deine eignen Gedanken mögen so niedrig und kriechend sein, als sie wollen, so sollst du mir keinen Vorwurf über die meinigen zuziehen. Soweit werd' ich's nicht kommen lassen, daß die Welt von mir sagen könnte, ich hätte dir den Mut gemacht, eine der besten Partien im Reiche auszuschlagen. Eine Partie, welche außer den Vorteilen in Ansehung des Vermögens, fast einer jeden Familie Ehre machen würde, und in Ansehung des Ranges wirklich einen so großen Vorzug vor der unsrigen hat.« – »Sicherlich,« sagte Sophie, »ich muß fehlerhaft geboren sein und nicht alle die Sinne empfangen haben, womit andre Menschen begabt sind. Es muß ohne Zweifel einen Sinn geben, welcher Vergnügen an leerem Schall und Schein genießen kann, und den ich nicht habe, denn sonst wäre nicht begreiflich, wie die Menschen nach Dingen so heftig streben, ihrer Erlangung soviel aufopfern, über ihren Besitz so stolz und aufgeblasen sein könnten, wenn ihnen solche, ebenso wie mir, als die

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