Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Alwerth, bitte, kommt und eßt heut Mittag bei mir in'n Herkelssäulen. Ich hab' 'ne Hammelsbrust bestellt, die soll'n sie rösten und jung Ribbchen Speck mit Pflaumen und 'n Huhn mit Brüh-Eiern. Wir woll'n ganz unter uns sein, müßten denn Lust haben den Herkelswirt mitzunehmen; den Pastor Schickelmann hab' ich hinunter geschickt nach Basingstocke, nach meiner Tabaksdos', die ich da hab' im Kruge liegen lassen, und ich wollt' s'e um all's in der Welt nich missen, denn 's ist 'ne alte Bekanntschaft, über zwanzig Jahr her. Das kann ich sag'n, der Herkelswirt ist ein recht schnak'scher Kumpen, Ihr werd't ihn entsetzlich lieb kriegen.«
Herr Alwerth ließ sich zuletzt diese Einladung gefallen und bald darauf ging der Junker von dannen, singend und springend über die Hoffnung, in kurzem das tragische Ende des armen Jones zu sehen.
Als er weggegangen war, nahm Herr Alwerth die vorige Materie sehr ernsthaft wieder vor. Er sagte zu seinem Neffen, er wünsche von ganzem Herzen, er möchte sich bestreben, eine Leidenschaft zu überwinden, »für welche ich dir,« sagte er, »nicht mit der mindesten Hoffnung schmeicheln kann. Es ist ein gemeiner Irrtum, daß der Widerwille eines Frauenzimmers durch Beständigkeit zu besiegen stehe. Gleichgültigkeit mag ihr vielleicht zuweilen nachgeben. Aber die gewöhnlichen Siege, welche ein Liebender durch die Beständigkeit gewinnt, sind über den Eigensinn, die Weltklugheit, Ziererei und oft über einen übertriebenen Grad von Leichtsinn, [223] welcher Frauenzimmer, die eben kein zu warmes Blut haben, verleitet, ihrer Eitelkeit dadurch zu fröhnen, daß sie ihre Liebhaber, auch wenn sie mit ihnen ganz wohl zufrieden sind, eine längere Zeit harren und schmachten lassen, und sich entschließen (wenn sie je einen festen Entschluß fassen können), es ihnen am Ende, obgleich ziemlich ärmlich, zu belohnen. Ein fester Widerwille aber, wie ich hier zu finden besorge, wird durch die Zeit vielmehr gestärkt als besiegt. Ueber dieses, mein Lieber, habe ich noch eine andre Besorgnis auf dem Herzen, die du entschuldigen mußt. Ich fürchte, ich fürchte, diese Leidenschaft, die du für dies schöne junge Mädchen nährest, hafte zu sehr an der Schönheit ihrer Person und sei des Namens der Liebe unwürdig, die doch die einzige Grundlage ehelicher Glückseligkeit ausmachen muß. Ein schönes Frauenzimmer bewundern, lieben, und auf ihren Besitz begierig sein, ohne auf ihre Gesinnungen zu achten, mag, wie ich befürchte, nur zu natürlich sein, dennoch, glaube ich, ist die Liebe nur ein Kind der Liebe; wenigstens weiß ich, und lass' es mir nicht leicht ausreden, daß es nicht in der menschlichen Natur liegt, ein Geschöpf zu lieben, von dem wir gewiß wissen, daß es uns haßt. Untersuche dein Herz mit allem Fleiße, mein lieber Sohn, und wenn du bei dieser Untersuchung nur den geringsten Argwohn von dieser Art fassen mußt, so wird dich, wie ich nicht zweifle, dein eignes Herz und deine eigne Tugend nötigen, eine so unstatthafte Leidenschaft aus deinem Herzen zu verdrängen und deine gesunde Vernunft wird dich bald in den stand setzen, es ohne zu schmerzhafte Empfindungen zu bewerkstelligen.«
Der Leser wird so ziemlich Blifils Antwort erraten. Sollte er aber auch zweifelhaft sein, so haben wir doch jetzt nicht Zeit, ihm darüber ein Mehreres zu sagen, weil unsre Geschichte zu Dingen von größerer Wichtigkeit eilt, und wir die Abwesenheit von Sophie nicht länger aushalten können.
Viertes Kapitel.
Ein außerordentlicher Auftritt zwischen Sophie und ihrer Tante.
Die muhende Stärke und das blökende Schaf in Herden und Tristen, können ungestört und unbemerkt über Anger, Wiese und Weiden ziehen. Sie sind freilich am Ende für die Schlachtbank bestimmt; doch läßt man sie manches Jahr ihre Freiheit sicher genießen. Entdeckt man aber ein feist-glattes Schmaltier, das den Forst verlassen und sich in einem Felde oder Busche niedergethan hat, gleich ist das ganze Kirchspiel im Auflauf, jedermann ist mit seinen Hunden zum anhetzen bereit, und wenn es der gute Edelmann vor den übrigen schirmt, so thut er's nur, um es für seinen eignen Mund zu sparen.
Oft habe ich bemerkt, daß ein junges Frauenzimmer von Reichtum und Ansehn, wenn es zum erstenmale aus seinem Ammenpferch gelassen befunden ward, sich so ungefähr in einerlei Umständen mit [224] diesem Schmaltiere befand. Die Stadt ist den Augenblick im Aufruhr; ihr wird nachgejagt von der Promenade zum Schauspiele, vom Hofe zur
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